Ein Gesicht so schön und kalt
Generationen des Dorso-Clans
versammelten.
Nach ausgiebiger Begrüßung des Bostoner Familienzweigs
und einem beiläufigen Hallo für die Geschwister, die er
regelmäßig sah, gelang es Geoff, mit seinem Vater in das
Arbeitszimmer zu entwischen.
Dieses Refugium mit all der juristischen Fachliteratur und den
signierten Erstausgaben war der einzige Raum, der tabu für
unternehmungslustige Familiensprößlinge war. Edward Dorso
schenkte seinem Sohn und sich einen Scotch ein. Er war mit
seinen siebzig Jahren ein Rechtsanwalt im Ruhestand, der sich
auf Wirtschafts- und Firmenrecht spezialisiert hatte und zu
dessen Klientel einst mehrere Unternehmen aus der Fortune500-Liste gezählt hatten.
Edward hatte Mark Young gekannt und geschätzt und war
begierig darauf, Hintergrundinformationen zu bekommen, die
Geoff möglicherweise im Gericht aufgeschnappt hatte.
»Ich kann dir nicht viel berichten, Dad«, sagte Geoff. »Es fällt
schwer, an das merkwürdige Zusammentreffen zu glauben, daß
ein oder mehrere Täter einen Raubüberfall verpatzt und Young
genau zu dem Zeitpunkt umgebracht haben, wo sein Mitopfer
Haskell dabei war, Strafminderung im Gegenzug für seine
Zeugenaussage gegen Jimmy Weeks rauszuholen.«
»Das finde ich auch. Und weil wir gerade davon sprechen: Ich
war heute in Trenton und hab’ mit Sumner French Mittag
gegessen. Da kam etwas zur Sprache, was dich bestimmt
interessiert. In Philadelphia gibt es einen Beamten beim
Baureferat, von dem man mit Sicherheit annimmt, daß er vor
zehn Jahren Weeks Insider-Tips über einen neu geplanten
Highway von Philly nach Lancaster gegeben hat. Weeks kaufte
sich einiges an wertvollem Land zusammen und machte dann,
als die Pläne für den Highway öffentlich bekanntgegeben
wurden, mit dem Verkauf an Bauunternehmer einen
Riesenprofit.«
»Nichts Neues mit diesen Insider-Informationen«, bemerkte
dazu Geoff. »Es ist schlicht die Realität und fast unmöglich zu
unterbinden. Und oft auch schwer zu beweisen.«
»Ich habe diesen Fall aus gutem Grund erwähnt. Wie ich
höre, hat Weeks sich einige dieser Grundstücke für einen
Pappenstiel unter den Nagel gerissen, weil der Typ, der das
Vorkaufsrecht daran besaß, verzweifelt auf Bargeld angewiesen
war.«
»Jemand, den ich kenne?«
»Dein Lieblingsmandant, Skip Reardon.«
Geoff zuckte die Achseln. »Wir bewegen uns eben in engen
Kreisen, Dad, das weißt du doch. Es ist einfach ein weiterer
Schlag, mit dem man Skip Reardon zu Fall gebracht hat. Ich
weiß noch, wie Tim Farrell damals darüber geredet hat, daß
Skip alles, was er besaß, für seine Verteidigung veräußert hat.
Auf dem Papier sah Skips finanzielle Perspektive großartig aus,
aber er hatte für eine Menge Grund und Boden das
Vorkaufsrecht erworben, dazu eine deftige Bauhypothek für ein
extravagantes Haus und eine Ehefrau, die anscheinend glaubte,
sie wäre mit König Midas verheiratet. Wäre Skip nicht im
Gefängnis gelandet, dann wäre er heute ein reicher Mann, denn
er war ein guter Geschäftsmann. Aber soweit ich mich erinnern
kann, hat er all seine Grundstücksoptionen zu einem fairen
Marktpreis verkauft.«
»Kein fairer Marktpreis, wenn der Käufer im Besitz
vertraulicher Informationen ist«, entgegnete sein Vater
sarkastisch. »Nach einem der Gerüchte, die ich gehört habe, war
Haskeil, der schon damals die Bücher von Weeks geführt hat,
auch in diesen Geschäftsvorgang eingeweiht. Jedenfalls gehört
es zu diesen Dingen, die zu wissen eines Tages auf irgendeine
Weise nützlich sein könnte.«
Bevor Geoff sich dazu äußern konnte, erschallte außerhalb
des Arbeitszimmers ein vielstimmiger Chor: »Grandpa, Onkel
Geoff, essen kommen!«
»Dein Wunsch sei mir Befehl…«, zitierte Edward Dorso und
reckte sich, als er aufstand.
»Geh schon mal, Dad, ich komme gleich nach. Ich will noch
meinen Telefonbeantworter abhören.« Als er Kerrys heisere,
leise Stimme vom Band des Apparats hörte, drückte er sich den
Hörer fester ans Ohr.
Erklärte Kerry da tatsächlich, daß sie noch mal zum
Gefängnis fahren und Skip besuchen wollte? Daß sie seine
Mutter und Beth Taylor dabeihaben wollte?
»Halleluja!« sagte er laut.
Mit einem Griff nach Justin, seinem Neffen, der geschickt
worden war, um ihn zu holen, eilte er in Richtung Eßzimmer,
wo seine Mutter mit Sicherheit bereits ungeduldig darauf
wartete, daß sich alle hinsetzten und das Tischgebet gesprochen
werden konnte.
Als sein Vater die
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