Ein Gesicht so schön und kalt
Charles Smith, empfunden haben. Ich verspreche Ihnen, daß ich
nur ein paar Minuten Ihrer Zeit beanspruchen werde.«
Es war ihr ernst. Jason hörte immer sofort falsche Töne
heraus, hatte eine Karriere auf dieser Fähigkeit aufgebaut, und
sie war keine Heuchlerin. Es war bestimmt nicht schwierig, über
Suzanne zu sprechen, sagte er sich. Er war oft mit ihr auf
Einkaufstour gegangen, ganz so, wie er es erst am Tag zuvor mit
Vera Shelby Todd getan hatte. Suzanne war auch häufig auf
seinen Partys erschienen, aber darin unterschied sie sich nicht
von Dutzenden anderer Leute. Keiner konnte ihm daraus einen
Strick drehen.
Jason zeigte sich vollkommen aufgeschlossen gegenüber
Kerrys Erläuterung, um ein Uhr habe sie eine feste Verabredung
und werde zu dem Zeitpunkt abgeholt, und daher würde sie ihn
sehr gern innerhalb der nächsten Stunde aufsuchen.
71
Kerry beschloß, Robin auf ihre Fahrt zu Jason Arnotts Haus
mitzunehmen. Ihr war bewußt, daß es Robin zu schaffen
gemacht hatte, mitanzusehen, wie sie am Vorabend mit Bob um
die Kopie von Haskells Zettel gekämpft hatte, und sie dachte
sich, die Fahrt nach Alpine und zurück werde ihnen jeweils eine
halbe Stunde Zeit zum Plaudern geben. Sie machte sich
Vorwürfe wegen der Szene mit Bob. Es hätte ihr klar sein
müssen, daß er ihr keinesfalls die Notiz überlassen würde. Aber
immerhin wußte sie, was auf dem Blatt gestanden hatte. Sie
hatte es sich genau so aufgezeichnet, wie sie es gesehen hatte,
damit sie es später Geoff zeigen konnte.
Es war ein sonniger, frischer Tag von der Art, dachte sie, die
einem zu neuen Kräften verhalf. Jetzt, da sie wußte, daß sie sich
ernsthaft mit dem Fall Reardon befassen und die Sache bis zum
bitteren Ende durchziehen mußte, war sie entschlossen, zügig
vorzugehen.
Robin hatte gern eingewilligt, auf den Ausflug mitzukommen,
wies aber darauf hin, daß sie um zwölf wieder zu Hause sein
wollte. Sie hatte vor, Cassie zum Essen einzuladen.
Kerry erzählte ihr daraufhin von dem Plan, sie eine Weile bei
Geoffs Familie unterzubringen, während sie selbst geschäftlich
nach Trenton unterwegs war.
»Weil du Angst um mich hast«, stellte Robin nüchtern fest.
»Ja«, gestand Kerry ein. »Ich will dich dort wissen, wo du
auch bestimmt okay bist, und ich weiß, daß du bei den Dorsos in
Sicherheit bist. Am Montag will ich über die ganze
Angelegenheit mit Frank Green reden, nachdem ich dich an der
Schule abgesetzt habe. Also, Robin, wenn wir bei Mr. Arnott
angelangt sind, dann kommst du mit rein, aber du weißt doch,
daß ich ungestört mit ihm reden muß. Hast du ein Buch
mitgenommen?«
»Mmhmmm. Ich bin schon gespannt, wie viele von Geoffs
Nichten und Neffen heute da sind. Laß mich mal nachrechnen,
er hat vier Schwestern. Die jüngste ist nicht verheiratet. Die
eine, die gleich nach Geoff kommt, hat drei Kinder, einen
Jungen, der neun ist - er ist mir im Alter am nächsten -, und ein
Mädchen, das sieben ist, und einen Jungen von vier Jahren.
Geoffs zweite Schwester hat vier Kinder, aber die sind alle
ziemlich klein - das älteste ist, glaub’ ich, sechs. Dann ist da
noch die eine mit den zweijährigen Zwillingen.«
»Rob, um Himmels willen, woher weißt du denn das alles?«
fragte Kerry.
»Neulich abends beim Essen. Geoff hat von ihnen erzählt. Du
warst so ziemlich daneben, hab’ ich das Gefühl. Ich meine, ich
habe gemerkt, daß du nicht zugehört hast. Aber egal, es wird
bestimmt stark, wenn ich da hinkomme. Er hat gesagt, seine
Mutter kann gut kochen.«
Als sie Closter hinter sich ließen und nach Alpine kamen,
blickte
Kerry auf ihren Zettel mit den Richtungsangaben
hinunter. »Jetzt ist es nicht mehr weit.«
Fünf Minuten später fuhren sie eine kurvenreiche Straße zu
Jason Arnotts europäisch anmutendem Wohnsitz hinauf. Die
leuchtende Sonne spielte auf dem Gebäude, einer
atemberaubenden Kombination aus Naturstein, verputzten
Wänden, Backstein und Holz mit hoch aufragenden bleigefaßten
Fenstern.
»Ist ja ‘ne Wucht!« rief Robin aus.
»Da wird einem erst mal klar, wie bescheiden wir wohnen«,
fand auch Kerry, als sie den Wagen in der halbkreisförmigen
Auffahrt parkte.
Jason Arnott öffnete ihnen schon die Tür, bevor sie die
Klingel entdecken konnten. Seine Begrüßung war herzlich. »Ms.
McGrath, und das ist wohl Ihre Assistentin?«
»Ich sagte doch, daß es ein inoffizieller Besuch wird, Mr.
Arnott«, erwiderte Kerry, als sie Robin vorstellte.
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