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Ein Gesicht so schön und kalt

Ein Gesicht so schön und kalt

Titel: Ein Gesicht so schön und kalt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Higgins Clark
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aufgelegt.
    Als nächstes fiel ihm auf, daß seine Mutter Gefallen an Kerrys
ehrlicher, aber nicht überschwenglicher Dankbarkeit fand, daß
sie Robin dalassen konnte. Mom hatte ja immer betont, die
Stimme eines Menschen sollte wohlmoduliert sein, erinnerte er
sich.
    Robin war glücklich, als sie erfuhr, daß alle neun Enkel sich
irgendwo im Haus herumtrieben. »Don geht nachher mit dir und
den beiden Ältesten zur Sports World«, sagte Mrs. Dorso zu ihr.
Kerry schüttelte den Kopf und murmelte: »Ich weiß nicht
recht…«
    »Don ist der Schwager von mir, der ein Captain bei der
Staatspolizei von Massachusetts ist«, klärte sie Geoff schnell
auf. »Der läßt die Kinder bestimmt keine Sekunde aus den
Augen.«
    Man konnte Robin schon deutlich die Vorfreude ansehen. Sie
beobachtete, wie die zweijährigen Zwillinge auf der Flucht vor
ihrem vierjährigen Vetter wie wild vorbeiwackelten. »Das ist ja
wie Kleinkinderberufsverkehr hier«, kommentierte sie vergnügt.
»Bis später dann, Mom.«
    Im Wagen lehnte sich Kerry in den Sitz zurück und seufzte
tief auf.
»Sie machen sich doch nicht etwa Sorgen, oder?« fragte
Geoff sogleich.
    »Nein, überhaupt nicht. Das war nur ein Zeichen meiner
Erleichterung. So, und jetzt bring ich Sie mal auf den neusten
Stand über all das, was ich Ihnen noch nicht erzählt habe.«
    »Was zum Beispiel?«
»Wie Suzanne aufgewachsen ist zum Beispiel, und was sie zu
sehen bekam, wenn sie damals in den Spiegel geschaut hat.
Oder was Dr. Smith mit einer der Patientinnen treibt, die er mit
Suzannes Gesicht ausgestattet hat. Und was ich heute vormittag
von Jason Arnott erfahren habe.«
    Deidre Reardon und Beth Taylor warteten schon in der für
Besucher bestimmten Empfangshalle im Gefängnis. Nachdem
Geoff und Kerry sich am Schalter eingetragen hatten, schlössen
sie sich den beiden Frauen an, und Geoff stellte Kerry und Beth
einander vor.
    Während sie auf ihren Aufruf warteten, hielt Kerry das
Gespräch bewußt auf einer unpersönlichen Ebene. Sie wußte,
worüber sie dann in Anwesenheit von Skip reden wollte, doch
das behielt sie sich lieber bis zu diesem Zeitpunkt vor. Sie
wollte nichts von der Spontaneität verlieren, wenn die drei sich
gegenseitig zu Erinnerungen anregten, sobald sie dann die
verschiedenen Punkte durchging. Da sie verstand, daß Mrs.
Reardon sie zurückhaltend begrüßt hatte, konzentrierte sie sich
auf die Unterhaltung mit Beth Taylor, die ihr sofort sympathisch
war.
    Pünktlich um drei wurden sie in den Gefängnisbereich
geführt, wo es Verwandten und Freunden bei ihrem Besuch
gestattet war, mit den Strafgefangenen unmittelbar in Kontakt zu
kommen. Diesmal war es hier wesentlich voller als bei Kerrys
erstem Besuch eine Woche zuvor. Bestürzt sagte sich Kerry, daß
es vermutlich besser gewesen wäre, einen Antrag für eines der
Einzelbesprechungszimmer zu stellen, die zur Verfügung
standen, wenn sowohl Staatsanwalt wie Verteidiger die
Genehmigung zu einem gemeinsamen Besuch einholten. Doch
das hätte bedeutet, daß man sie offiziell als Staatsanwältin von
Bergen County, die einen überführten Mörder aufsucht,
registriert hätte, etwas, worauf sie sich noch nicht so recht
einlassen wollte.
    Es gelang ihnen dann aber, einen Tisch in der Ecke
aufzutreiben, wohin der Hintergrundlärm etwas weniger stark
durchdrang. Als man Skip in den Raum führte, sprangen Deidre
Reardon und Beth gleichzeitig auf. Nachdem der Wärter Skips
Handschellen entfernt hatte, hielt sich Beth zurück, während
Deidre ihren Sohn umarmte.
    Dann beobachtete Kerry, wie Beth und Skip einander
anschauten. Der Gesichtsausdruck der beiden und ihre enorme
Selbstbeherrschung, als sie sich küßten, sagten mehr aus über
das, was sie verband, als es die heftigsten, überschwenglichsten
Umarmungen vermocht hätten. Dieser Augenblick rief in Kerry
lebhaft die Erinnerung an jenen Tag im Gericht wieder wach, als
sie bei der Verkündung des Urteils, das ihn für mindestens
dreißig Jahre ins Gefängnis schickte, die Qual in Skip Reardons
Miene wahrgenommen und seinen herzzerreißenden Protest, Dr.
Smith sei ein Lügner, mitangehört hatte. Als sie jetzt daran
zurückdachte, begriff sie, daß sie den Klang der Wahrheit schon
damals aus Skip Reardons Stimme herausgehört hatte, obwohl
sie zu dem Zeitpunkt noch kaum etwas über den Fall wußte.
    Sie hatte sich einen Schreibblock mitgebracht, auf dem sie
eine Reihe von Fragen notiert und dabei jeweils

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