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Ein glücklicher Tag im Jahr 2381

Ein glücklicher Tag im Jahr 2381

Titel: Ein glücklicher Tag im Jahr 2381 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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überfallen. Er hat schon einige Minuten lang mit ihr gespielt, und sie atmet heftig, ist sichtlich bereit, ihre Hüften stoßen hin und her, ihre Augen sind zu ganz schmalen Schlitzen geschlossen.
    »Entschuldige«, sagt er und langt über ihre schweren, zitternden Brüste hinweg nach einem Stift. »Ich muß mir etwas aufschreiben.« Er aktiviert den Eingabeschirm des Datenempfängers und drückt den Knopf, der in seiner Studienkammer in Pittsburgh ein Duplikat seiner Niederschrift ausfertigen wird. Und dann macht er seine Notizen, während er die Lippen fest aufeinander preßt und finster dreinschaut.
    Er nachtwandelt oft, aber nie in seiner eigenen Stadt Schanghai. Das ist Jasons einzige Kühnheit: Furchtlos umgeht er die Tradition, derzufolge man nur in seiner näheren Umgebung nachtwandeln sollte. Niemand wird ihn für sein unkonventionelles Verhalten bestrafen, da es nur eine Verletzung allgemein geübter Gebräuche ist, nicht aber der Urbmon-Gesetze. Dennoch geben ihm seine Ausflüge das leicht erregende Gefühl, etwas Verbotenes zu tun. Jason erklärt sich selbst seine Angewohnheit, indem er sagt, daß es eine zwischenkulturelle Bereicherung für ihn bedeutet, mit Frauen in anderen Städten zu schlafen. Insgeheim aber vermutet er, daß es ihm einfach unangenehm wäre, mit Frauen zu tun zu haben, die er kennt, wie etwa Mamelon Klüver. Besonders Mamelon Klüver.
    So läßt er sich zur Zeit des Nachtwandeins meist durch den Fall-Lift weit in die Tiefen des Gebäudes tragen, in Städte wie Pittsburgh oder Tokio, manchmal sogar nach Prag oder Reykjavik. Er stößt fremde Türen auf, die immer unverschlossen sein müssen, und nimmt auf den Schlafplattformen neben Frauen Platz, die auf geheimnisvolle Weise nach der Gemüsenahrung der unteren Klassen riechen. Dem Gesetz zufolge müssen sie ihn willig umarmen. »Ich komme aus Schanghai«, sagt er ihnen, und sie geben ein entsetztes »Oooooh!« von sich, und er fällt wie ein Raubtier über sie her, verachtungsvoll, die Brust geschwollen vor Stolz.
    Die vollbusige Gretl wartet geduldig, bis Jason seine letzten Notizen niedergeschrieben hat. Dann erst wendet er sich ihr wieder zu. Ihr Mann liegt am anderen Ende der Schlafplattform, ohne sie wahrzunehmen; er scheint irgendeine lokale Modedroge eingenommen zu haben. Gretls große dunkle Augen sprühen vor Bewunderung. »Ihr Jungen aus Schanghai habt bestimmt ‘ne Menge Grips«, sagt sie, während Jason über sie herfällt und es ihr mit erbarmungslosen Stößen gibt.
    Später kehrt er in die 761. Ebene zurück. Schatten gleiten durch die schwach erleuchteten Korridore: andere Bürger von Schanghai, die von ihren nächtlichen Runden zurückkehren. Er betritt sein Apartment. Jason verfügt über 45 Quadratmeter Bodenfläche, wirklich nicht genug für einen Mann mit Frau und fünf Kleinen, aber er beschwert sich nicht. Gott segne, man nimmt eben, was man bekommt, und andere haben sogar noch weniger. Micaela schläft schon oder tut zumindest so. Sie ist dreiundzwanzig, hat lange Beine, eine sanft gebräunte Haut, und sie ist noch immer ganz attraktiv, obwohl auf ihrem Gesicht sich schon Falten abzuzeichnen beginnen; sie runzelt zu oft die Stirn. Sie liegt unbedeckt da, und das lange, strähnige Haar umgibt ihren Kopf wie eine dunkle Gloriole. Ihre Brüste sind klein, winzig im Vergleich mit den Eutern der Tokyoterin Gretl, aber von vollendeter Form. Er und Micaela sind jetzt schon neun Jahre verheiratet. Er hat sie einmal sehr geliebt, bis er die verbitterte Unzufriedenheit in der Tiefe ihrer Seele entdeckte.
    Sie hat ein nach innen gerichtetes Lächeln um die Lippen, und noch während sie schläft, wischt sie sich Haare aus dem Gesicht. Sie hat die weichen Züge einer Frau, die soeben eine gründlich befriedigende sexuelle Erfahrung gemacht hat. Jason kann nicht wissen, ob Micaela während seiner Abwesenheit von einem Nachtwandler besucht worden ist, und er kann natürlich auch nicht fragen. (Nach Indizien suchen? Eindrücke auf der Schlafplattform? Klebrige Spuren auf ihren Schenkeln? Sei doch nicht so barbarisch!) Er vermutet, daß sie selbst dann, wenn sie keinen Besucher hatte, ihn darüber zu täuschen versuchen würde; und wenn jemand da war, der ihr nur geringes Vergnügen verschaffen konnte, dann würde sie ihres Mannes wegen trotzdem lächeln, als wäre sie von Zeus umarmt worden. Das gehört zu ihrem Stil.
    Die Kinder scheinen friedlich zu schlafen. Sie sind zwischen zwei und acht Jahren alt. Bald werden sie

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