Ein glücklicher Tag im Jahr 2381
Er ist merklich angespannt, sein Schweiß fließt in Bächen, während er sich bemüht, eine Welt zu begreifen, in der die Menschen leben können, wo sie wollen, in der sie sich im Freien bewegen können, zu Fuß oder mit einem Fahrzeug, wo es kein Planen, keine Ordnung, kein Zurückhalten gibt. Seine Vorstellungsgabe wird dabei in doppelter Weise gefordert: Einmal muß er die vom Erdboden verschwundene Welt von innen sehen, als ob er in ihr leben würde, zum andern muß er die Urbmon-Gesellschaft wie ein Mann aus dem 20. Jahrhundert sehen, den es in die Zukunft verschlagen hat. Das ist mehr als schwierig. Er weiß ungefähr, was ein Mann aus dieser antiken Welt in bezug auf den Urbmon 116 empfinden würde: Es ist ein höllischer Ort, würde der Mann aus der Vergangenheit sagen, wo die Menschen eng zusammengepfercht und menschenunwürdig leben, wo jede Philosophie, alle Vorstellungen von Zivilisation, auf den Kopf gestellt worden sind, wo zielloses Fortpflanzen in einem alptraumhaften Ausmaß gefördert wird, um der Vorstellung von einer Gottheit zu dienen, die unaufhörlich nach mehr Anbetern verlangt, wo Unzufriedenheit und Ablehnung rücksichtslos erstickt und Andersdenkende physisch zerstört werden. Jason kennt die richtigen Formulierungen, die Wahl von Worten, die ein intelligenter, liberaler Amerikaner von – sagen wir 1958 – benützen würde. Aber ihm fehlt der Geist, der darin enthalten ist. Er versucht seine eigene Welt als eine Art von Hölle zu sehen, aber er kann es nicht. Für ihn ist sie alles andere als höllisch. Er ist ein rational denkender Mensch; er weiß, warum die vertikale Gesellschaft sich aus der alten horizontalen entwickeln mußte und warum es dann notwendig wurde, alle diejenigen zu eliminieren – nach Möglichkeit, bevor sie sich selbst fortpflanzen konnten –, die sich nicht anpassen wollten oder nicht an die Struktur der Gesellschaft angepaßt werden konnten. Wie hätte man sich auch Außenseiter innerhalb dieser festen, engmaschigen, sorgfältig ausbalancierten Struktur leisten können? Er weiß auch, daß durch die Gepflogenheit, Flippos in den Schacht zu werfen, im Lauf der Jahrhunderte vermutlich eine ganz neue Art menschlicher Lebewesen entstanden ist, sozusagen durch selektive Zuchtauswahl. Gibt es jetzt einen Homo urbmonensis, angepaßt, friedlich, mit sich und der Umwelt zufrieden? Das gehört zu den Themen, die er intensiv untersuchen will, wenn er sein Buch schreibt. Aber es ist so schwierig, so wahnsinnig schwierig, die Perspektive der Menschen der Vergangenheit zu erfassen.
Jason kämpft darum, die Erregung über das Überbevölkerungsproblem in der alten Welt zu begreifen. Er hat aus den Archiven Auszüge aus Schriften geholt, die gegen eine unkontrollierte menschliche Fortpflanzung gerichtet waren – wütende Polemiken, zu einer Zeit verfaßt, in der noch kaum 4.000.000.000 Menschen die Erde bewohnten. Er ist sich natürlich dessen bewußt, daß die Menschen sehr schnell einen ganzen Planeten zum Ersticken bringen können, wenn sie sich horizontal verbreiten in der Art, wie sie es damals getan haben; aber warum sorgten sie sich so sehr um die Zukunft? Sie hätten doch unschwer die Möglichkeiten und Vorteile einer vertikalen Gesellschaft vorhersehen können.
Nein, nein. Das ist genau der Punkt, stellt er unglücklich fest. Sie haben es nicht vorhergesehen. Statt dessen haben sie darüber diskutiert, ob man die Fruchtbarkeit herabsetzen sollte, wenn nötig durch Regierungsmaßnahmen, um die Bevölkerungszahl niedrig zu halten. Jason erbebt innerlich. »Seht ihr denn nicht«, fragt er die Würfel, »daß nur ein totalitäres Regime solche Einschränkungen durchsetzen könnte? Ihr sagt, daß wir eine repressive Gesellschaft sind. Aber was für eine Art von Gesellschaft hättet ihr entworfen, wenn sich die Urbmons nicht entwickelt hätten?«
Die Stimme des Mannes aus der alten Welt antwortet: »Ich würde lieber versuchen, die Geburten zu begrenzen, um dafür in jeder anderen Hinsicht volle Freiheit zu gewähren. Ihr habt die Freiheit, euch schrankenlos fortzupflanzen, gewählt, aber es hat euch all die anderen Freiheiten gekostet. Seht ihr nicht…«
»Ihr seid diejenigen, die an den Dingen vorbeisehen«, gibt Jason zurück. »Eine Gesellschaft muß den Antrieb ihrer Fortentwicklung bewahren durch Ausnützung der gottgegebenen Fruchtbarkeit. Wir haben einen Weg gefunden, um jedem Menschen auf der Erde genug Raum garantieren zu können, eine Bevölkerung zu
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