Ein glücklicher Tag im Jahr 2381
Wände. Über seinem Arbeitstisch ein Bild. Die nötigen Empfänger und Bildschirme.
Auf dem Tisch liegen fünf kleine, glänzende Würfel. In jedem von ihnen sind die Bestände mehrerer Bibliotheken gespeichert. Er arbeitet mit diesen Würfeln jetzt schon seit zwei Jahren. Sein Thema lautet: Der Urban Monad als soziale Evolution: Parameter des Geistes, definiert durch die Struktur der Gemeinschaft. Er versucht dabei zu zeigen, daß der Übergang zur Urbmon-Gesellschaft eine grundlegende Transformation der menschlichen Seele bewirkt hat. Im Westen auf jeden Fall. Eine Orientalisierung des Okzidents: Früher aggressive Kulturen haben den notwendigen Frieden einer neuen Umwelt angenommen. Eine nachgiebigere, weichere Art, auf Ereignisse zu reagieren, eine Abwendung von der alten expansionistischindividualistischen Philosophie, wie sie durch territoriales Besitzstreben gekennzeichnet war, durch die Mentalität der Konquistadoren und den Pioniergeist. Diese Einstellungen wurden abgelöst durch eine Art gemeinschaftlicher Expansion, die vor allem auf dem geregelten und unbegrenzten Wachstum der menschlichen Rasse beruht. Darin ist unbedingt eine Art von psychischer Evolution zu sehen, als eine Verschiebung zur uneingeschränkten Akzeptation des Urbmon-Lebens. Die Unzufriedenen sind schon vor Generationen aus dem System herausgezüchtet worden. Wir, die wir nicht den Schacht hinunter sind, akzeptieren, was notwendig und unabänderlich ist. Ja. Ja. Jason glaubt, daß er ein bedeutsames Thema aufgegriffen hat. Micaela allerdings hat sich nur abfällig darüber geäußert, als er ihr davon erzählt hat: »Du meinst, du willst ein Buch darüber schreiben, daß die Bewohner verschiedenartiger Städte verschieden sind? Daß Urbmon-Bewohner eine andere Einstellung haben als Dschungelbewohner? Ein Gelehrter! Ich könnte dir das in sechs Sätzen beweisen.« Auch die anderen Mitarbeiter der historischen Abteilung haben keine große Begeisterung dafür gezeigt, aber sie haben ihm wenigstens freie Hand dafür gelassen. Seine Arbeitstechnik bestand bis jetzt darin, sich in die Bilder der Vergangenheit zu versetzen, sich selbst, soweit möglich, in einen Bürger der Gesellschaft vor der Urbmon-Zeit zu verwandeln. Er glaubt, daß ihm das den entscheidenden Einblick geben wird, die veränderte Perspektive seiner eigenen Gesellschaft, die er benötigen wird, wenn er an seiner Studie zu schreiben beginnt. Er rechnet damit, daß er in weiteren zwei oder drei Jahren mit der Niederschrift beginnen kann.
Er zieht eine Notiz zu Rat, wählt einen Würfel aus, steckt ihn in eine Abspielvorrichtung. Der Bildschirm erhellt sich.
Eine Art Ekstase überkommt ihn, als die Szenen aus der alten Welt sichtbar werden. Er geht dicht an seine Aufnahmekugel heran und beginnt zu diktieren. Erregt und wie in Trance bespricht er den Aufzeichner mit Notizen darüber, wie es früher einmal war.
Häuser und Straßen. Eine horizontale Welt. Individuelle Familienunterkünfte, jedes eine Einheit für sich; das ist mein Haus, das ist meine Burg. Phantastisch! Drei Leute, die für sich allein vielleicht tausend Quadratmeter Bodenfläche beanspruchen. Straßen. Das Konzept der Straßen ist für uns schwer zu verstehen. Wie ein Korridor, der nie aufhört. Private Fahrzeuge. Wo fahren sie alle hin? Warum so schnell? Warum bleiben sie nicht zu Hause? Ein Zusammenstoß! Blut. Ein Kopf stößt durch Glas. Noch ein Aufprall! Von hinten. Eine dunkle, brennbare Flüssigkeit fließt über die Straße. Mitten am Tag, Frühlingszeit, eine größere Stadt. Eine Straßenszene. Welche Stadt? Chikago? New York, Istanbul, Kairo? Leute gehen IM FREIEN umher. Geebnete Straßen. Ein Teil für Gehende, einer für Fahrende. Schmutz. Schätzungsweise 10.000 Menschen hier in diesem Bereich, auf einer relativ geringen Fläche. Stimmt diese Zahl? Überprüfen. Ellbogen an Ellbogen. Und sie würden sich vorstellen, daß unsere Welt überbevölkert ist? Zumindest drängen wir uns nicht so dicht aufeinander. Wir verstehen es, innerhalb der Urbmon-Struktur die notwendigen Zwischenräume einzuhalten. Fahrzeuge bewegen sich inmitten der Straße. Was für ein Chaos! Die vorherrschende Tätigkeit: privater Konsum. Würfel IIAb8 zeigt das Innere eines Ladengeschäfts. Tausch von Geld gegen Waren. Brauchen sie, was sie kaufen? Wo BRINGEN sie das alles hin?
Dieser Würfel enthält nichts, was für ihn neu wäre. Jason hat solche Stadtszenen schon oft gesehen. Doch die Faszination nützt sich nie ab.
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