Ein glücklicher Tag im Jahr 2381
Wochen. Ich würde es sogar roh essen.«
»Es gibt keine Bisons mehr, Michael. Es gibt überhaupt keine wilden Tiere mehr. Du weißt das.«
»War auch nicht ernst gemeint. Glaubst du wirklich, ich könnte töten? Töten? Gott segne, ich bin vielleicht etwas schrullig, aber ich bin doch nicht verrückt! Nein. Hör zu, ich würde mir Lebensmittel von den Farmergemeinden holen. Nachts bei ihnen eindringen, Gemüse holen, eine Ladung Proteoid-Steaks, was immer zu finden ist. Sie stellen keine Wachen auf. Sie erwarten doch nicht, daß Leute aus den Urbmons sich bei ihnen herumtreiben. Ich hätte genug zu essen. Und ich würde New York sehen. Stacion, ich würde New York sehen! Vielleicht würde ich sogar Gruppen wild lebender Menschen dort finden. Mit Schiffen, Flugzeugen oder sonst etwas, um mich über den Ozean zu bringen. Nach Jerusalem! Nach London! Nach Afrika!«
Stacion lacht. »Ich mag dich, wenn du anfängst, wie ein Flippo zu reden«, sagt sie, und dabei zieht sie ihn zu sich herunter. Er ruht seinen heißgelaufenen Kopf auf der weichen Wölbung ihres Leibes aus. »Kannst du das Kleine schon hören?« fragt Stacion. »Hörst du sie darin singen? Gott segne, Michael, ich liebe dich so sehr.«
Sie nimmt ihn nicht ernst. Wer würde das auch? Aber er wird gehen. Während er an der Kontrollwand tätig ist, sieht er sich selbst schon als Weltreisender. Ein lohnendes Vorhaben, alle die wirklichen Städte zu besuchen, nach denen die Städte des Urbmon 116 benannt sind, soweit sie noch existieren: Warschau, Reykjavik, Louisville, Colombo, Boston, Rom, Tokio, Toledo, Paris, Schanghai, Edinburgh, Nairobi, London, Seattle, Bombay, Prag. Sogar Chikago und Pittsburgh, sofern es noch Überreste von ihnen geben sollte. Und die anderen. Habe ich an alle gedacht? Er verliert den Faden. Jedenfalls, ich werde nach draußen gehen. Selbst wenn ich nicht um die ganze Welt reisen kann. Vielleicht ist das alles noch viel größer, als ich es mir vorstelle. Aber ich werde etwas sehen. Ich werde Regen auf meinem Gesicht spüren. Ich werde das Plätschern der Wellen hören. Zwischen meinen Zehen wird der kalte feuchte Sand hängen bleiben. Und die Sonne! Die Sonne! Die Sonne wird meine Haut bräunen!
Gelehrte können eigentlich immer noch umherreisen, die alten Städte besuchen, aber Michael kennt keinen, der es wirklich getan hat. Jason, der sich auf das zwanzigste Jahrhundert spezialisiert hat, war bestimmt noch nicht draußen. Er könnte doch die Ruinen von New York besichtigen, oder nicht? Um einen lebendigeren Eindruck davon zu bekommen, wie es damals war. Aber Jason ist natürlich Jason, er würde nicht einmal gehen, wenn er könnte. Aber er sollte es tun. Ich würde an seiner Stelle gehen. Sind wir wirklich dazu geboren, unser ganzes Leben in einem einzigen Gebäude zu verbringen? Er hat einiges von dem gesehen, was Jasons Würfel an Filmen aus den alten Tagen enthalten, die offenen Straßen, die sich bewegenden Fahrzeuge, die kleinen Häuser, die nur von einer einzigen Familie, von drei oder vier Leuten bewohnt wurden. Unglaublich fremdartig. Unwiderstehlich faszinierend. Natürlich konnte das nicht funktionieren; diese ungenügend organisierte Gesellschaft mußte zusammenbrechen. Aber Michael spürt etwas von der Faszination, die diese Art von Leben haben kann, fühlt etwas von dem unbändigen Drang nach Freiheit und will ein Stück davon ertasten. Wir müssen nicht leben, wie sie gelebt haben, aber wir müssen auch nicht leben, wie wir es jetzt tun, jedenfalls nicht für immer. Wir können nach draußen gehen. Das horizontale Leben erfahren, die Weite anstelle des ständigen Auf und Nieder, anstelle unserer tausend Ebenen, unserer somatischen Erfüllungszentren, unserer Schallzentren, unserer Gottesmänner, unserer Ethikingenieure, unserer Berater und so fort. Aber das ist eben nicht alles. Einen kurzen Ausflug nach draußen: die größte Erfahrung meines Lebens. Ich werde es tun. Während er an der Kontrollwand hängt und immer neue Einstellungen vornimmt, von denen das reibungslose Funktionieren der gewaltigen Computeranlagen abhängt, verspricht er sich selbst, daß er nicht aus dem Leben scheiden wird, ohne sich diesen Traum erfüllt zu haben. Er wird nach draußen gehen. Eines Tages.
Sein Schwager Jason hat sein geheimes Verlangen angeheizt, ohne es zu wissen. Seine Theorien über eine besondere Rasse von Urbmon-Bewohnern, die er ihm eines Abends auseinandergesetzt hat, als Michael und Stacion die Quevedos besuchten.
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