Ein glücklicher Tag im Jahr 2381
sind. So folgt Michael den sich verändernden Lichtmustern, nimmt die notwendigen Anpassungen vor, während der Rest seines Bewußtseins sich mit anderen Dingen zu beschäftigen vermag.
Er träumt sehr viel, während er arbeitet.
Er träumt von all den seltsamen Gegenden außerhalb des Urban Monad 116, Gegenden, die er auf dem Bildschirm gesehen hat. Er und seine Frau Stacion sind begeisterte Bildschirm-Zuschauer, und sie lassen selten eine der Reisesendungen aus. Die Porträts der alten Welt, als es noch keine Urbmons gab, der Überreste, der verstaubten Ruinen. Jerusalem, Istanbul, Rom, der Taj Mahal, die Trümmer von New York, die Spitzen der Bauwerke Londons, die noch aus den Wellen hervorragen. All die bizarren, romantischen, fremdartigen Gegenden außerhalb des Urbmons. Der Vesuv, die Geysire von Yellowstone, die afrikanischen Wüsten, die Inseln im Südpazifik, die Sahara, der Nordpol, Wien, Kopenhagen, der Grand Canyon, Chichen Itzä, der Dschungel am Amazonas, die große Mauer von China.
Existiert überhaupt noch etwas davon?
Michael hat keine Ahnung. Vieles von dem, was sie auf dem Schirm zeigen, ist hundert oder noch mehr Jahre alt. Er weiß, daß die Ausbreitung der Urbmon-Zivilisation die Zerstörung vieler altertümlicher Stätten verlangt hat. Die kulturelle Vergangenheit wurde weggewischt. Natürlich wurde vorher alles sorgfältig und in einem dreidimensionalen Verfahren aufgezeichnet. Aber es existiert nicht, mehr. Eine Wolke weißen Rauchs; der Geruch pulverisierten Gesteins, trocken und bitter. Existiert nicht mehr. Sicher, die berühmtesten Monumente wurden ausgespart. Man brauchte ja nicht gerade die Pyramiden in die Luft zu blasen, um Platz für neue Urbmons zu schaffen. Aber die großen Wucherungen mußten beseitigt werden. Die alten Städte. Schließlich befinden wir uns hier in der Chipitts-Konstellation, und er hat von seinem Schwager Jason Quevedo, dem Historiker, gehört, daß es einmal zwei Städte namens Chikago und Pittsburgh gegeben hat, genau an den Endpunkten der jetzigen Urbmon-Konstellation, mit einem durchgehenden Streifen urbaner Besiedlung zwischen ihnen. Wo sind Chikago und Pittsburgh jetzt? Michael weiß, daß keine Spur mehr von ihnen übrig ist; die einundfünfzig Türme der Chipitts-Konstellation erheben sich genau entlang diesem Streifen. Alles hat seine Ordnung und ist wohlorganisiert. Wir verschlingen unsere Vergangenheit und sondern Urbmons ab. Armer Jason; ihm muß die alte Welt sehr fehlen. Und mir auch. Und mir auch.
Michael träumt von Abenteuern außerhalb des Urban Monad 116.
Warum nicht nach draußen gehen? Soll er all seine verbleibenden Jahre damit verbringen, in einem beweglichen Sitz an einer Kontrollwand auf und ab zu gleiten, um fehlerhafte Verbindungen zu überprüfen? Nach draußen gehen. Diese merkwürdige ungefilterte Luft zu atmen, die den Duft grüner Pflanzen enthält. Einen Fluß zu sehen. Über diesen glattrasierten Planeten zu fliegen, nach den wenigen letzten bewaldeten Stellen zu suchen. Die Pyramiden erklettern! In einem Ozean schwimmen, in irgendeinem der Ozeane zu schwimmen . Salzwasser. Wie seltsam das schmeckt. Unter dem nackten Himmel zu stehen, seine Haut der direkten Sonnenstrahlung auszusetzen, sich im frostigen Mondlicht zu baden. Das orangefarbene Leuchten des Mars zu sehen, die in der Dämmerung blinkende Venus.
»Glaub mir, ich könnte es tun«, sagt er seiner Frau. Die selbstzufriedene, bauchige Stacion. Trägt ihr fünftes Kind, ein Mädchen, das in ein paar Monaten kommen wird. »Es wäre für mich überhaupt keine Schwierigkeit, ein Programm einzugeben, damit ich eine Passierkarte erhalte. Und mit dem Lift hinunter und aus dem Gebäude hinaus, bevor jemand darauf kommt. Über das Gras zu gehen. Quer durch das Land zu reisen. Ich würde nach Osten gehen, nach New York, an das Meer. Sie haben New York nicht ganz niedergerissen, hat Jason gesagt. Sie haben darum herum gebaut. Wollten es als Monument aus der Zeit der großen Katastrophe erhalten.«
»Wovon würdest du dich ernähren?« fragt Stacion. Ein praktisches Mädchen.
»Ich würde von der Wildnis leben. Wilde Früchte und Nüsse, wie es die Indianer taten. Jagen! Die Bisonherden. Große, langsame braune Tiere; ich würde hinter einem herlaufen und auf seinen Rücken springen, ihm mit bloßen Händen die Kehle zudrücken. Das Tier würde gar nicht verstehen, was los ist. Seit Jahrhunderten jagt niemand mehr. Es würde tot umfallen, und ich hätte Fleisch für einige
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