Ein glücklicher Tag im Jahr 2381
Was hat Jason gesagt? Ich gehe der Vermutung nach, daß das Leben in den Urbmons eine neue Art menschlicher Lebewesen heranzüchtet. Eine Art, die sich bereitwillig an relativ wenig Lebensraum und eine minimalisierte Privatsphäre anpaßt. Michael hat da seine Zweifel. Er deutet es weniger als einen genetischen Vorgang. Daß sich so viele Leute in den Urbmons drängen, sieht eher nach psychologischer Konditionierung aus. Oder sogar freiwilliges Sichabfinden mit der Situation im allgemeinen. Aber je länger Jason geredet hat, desto mehr Sinn schienen seine Ideen zu enthalten. Vor allem, als er erklärte, warum die Menschen die Urbmons nicht mehr verlassen, obwohl es keinen echten Grund gibt, warum sie das nicht könnten. Weil wir erkennen, daß es ein hoffnungsloser Wunschtraum ist. Wir bleiben hier, ob wir mögen oder nicht. Und die, die es nicht mögen, die es vielleicht gar nicht ertragen können – nun, du weißt ja, was mit ihnen geschieht. Michael weiß es. Den Schacht hinunter mit den Flippos. Die zurückbleiben, passen sich den Umständen an. Zwei Jahrhunderte selektiver Fortpflanzung, ziemlich rücksichtslos durchgesetzt. Und wir alle sind jetzt schon bestens angepaßt an diese Art Leben.
Und Michael selbst sagte: Ah. Ja. Wir alle sind bestens angepaßt. Ohne es im geringsten zu glauben.
Mit einigen Ausnahmen. Das wenigstens hat Jason zugegeben.
Michael denkt darüber nach, während er an einer Verbindungsstelle hantiert, die auszufallen droht. Kein Zweifel, selektive Fortpflanzung vermag eine ganze Menge zu erklären. Das allgemeine Sichabfinden mit dem Urbmon-Leben. Fast jeder nimmt es einfach hin, daß das Leben so und nicht anders sein muß. 885.000 Leute unter dem gleichen Dach, tausend Ebenen, viele Kleine haben, dicht aufeinandergedrängt leben. Alle nehmen es hin. Mit einigen Ausnahmen. Ein paar von uns, die durch die Fenster nach draußen starren, in die nackte Welt hinaus, in deren Gehirnen eine Sehnsucht brennt, die in ohnmächtige Wut verfallen oder nach draußen gehen wollen. Fehlt uns das Gen des Sichabfindens?
Wenn Jason recht hat, dann ist die Bevölkerung der Urbmons dazu gezüchtet worden, das Leben zu genießen, das sie führen, aber dann muß es auch ein paar Leute mit rezessiven Anlagen geben. Rückfälle. Das besagen die Gesetze der Genetik. Man kann ein Gen nicht auslöschen. Man kann es irgendwo begraben, aber nach vielleicht acht Generationen kommt es plötzlich wieder zum Vorschein. In mir zum Beispiel. Ich trage das schmutzige Ding mit mir herum. Und deshalb muß ich leiden.
Michael beschließt, sich mit seiner Schwester über diese Dinge zu unterhalten.
Er geht eines Morgens gegen 1100 Uhr zu ihr, zu einer Zeit, da er sie sicher antreffen wird. Sie ist mit ihren Kleinen beschäftigt. Seine Zwillingsschwester. Sie wendet sich prüfend um, als er hereinkommt. »Ach, du bist es.« Sie lächelt. Wie lieblich sie aussieht, so schlank, fast flach. Stacions Brüste sind voll von Milch; sie schwingen herum und baumeln. Dabei bevorzugt er Frauen mit mädchenhaften Körpern. »Wollte nur mal vorbeischauen«, sagt er. »Macht es dir was aus, wenn ich ein Weilchen bleibe?«
»Gott segne, bleib, solange du willst. Mich stört es bestimmt nicht. Die Kleinen treiben mich ohnehin bald die Wände hoch.«
»Kann ich dir helfen?« Aber sie schüttelt den Kopf. Er sitzt mit gekreuzten Beinen da und sieht zu, wie sie durch den Raum läuft. Legt dies unter den Reiniger, das in die Versorgungskrippe. Die anderen Kleinen sind beim Unterricht, Gott sei Dank. Ihre Beine sind lang und fest, ihr Po ist fest, nirgendwo überflüssiges Fleisch. Er kommt halb in Versuchung, sie hier und jetzt zu nehmen, aber das ist jetzt doch nicht die richtige Stimmung. Er hat es seit vielen Jahren nicht mehr mit ihr getan, seit sie Kinder waren. Damals haben sie natürlich, jeder hat einmal mit seiner Schwester. Zumal sie Zwillingskinder waren; da war es eine ganz selbstverständliche Sache, ständig zusammen zu sein. Sie stand ihm damals sehr nahe, als hätte er ein anderes Selbst gehabt, nur eben weiblich. Sie fragten sich nach allen möglichen Dingen. Sie berührten sich, als sie vielleicht neun waren. »Wie fühlt sich das an, wenn einem so etwas zwischen den Beinen wächst? Das hängt so herum. Kommt dir das nicht in den Weg, wenn du gehst?« Und er versuchte es zu erklären. Als ihr dann später ihre kleinen Brüste sprossen, stellte er diese Art von Fragen. Sie entwickelte sich früher als er, bekam Haare in
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