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Ein glücklicher Tag im Jahr 2381

Ein glücklicher Tag im Jahr 2381

Titel: Ein glücklicher Tag im Jahr 2381 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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auch will. Ein Liebesabschied, für alle Fälle. Aber kann er das riskieren? Er sollte vielleicht doch nicht so sehr auf diese genetische Besonderheit vertrauen; wenn sie herausfindet, daß er tatsächlich vorhat, den Urbmon zu verlassen, dann würde sie ihn vielleicht holen und zu den Ethikingenieuren bringen lassen. Seiner selbst wegen. Zweifellos betrachtet sie sein Vorhaben als eine Flippo-Idee. Michael wägt alles ab und entscheidet sich dafür, ihr nichts zu sagen. Er wird sie nur in seinen Gedanken nehmen. Ihre Lippen an den seinen, ihre Zunge ist beschäftigt, seine Hände streichen über ihr festes junges Fleisch. Der Stoß. Ihre Körper arbeiten perfekt zusammen. Wir sind nur die getrennten Hälften einer einzigen Einheit, in diesem Augenblick wieder beisammen. Für diesen kurzen Augenblick. Es wird so lebhaft in seiner Vorstellung, daß er seinen Entschluß fast aufgibt. Fast.
    Aber am Ende geht er, ohne irgend jemandem etwas zu sagen.
    Er hat es einfach. Er weiß, wie er die große Maschine dazu bringen kann, seine Wünsche zu erfüllen. Während seiner regulären Arbeitsschicht an diesem Tag bleibt er etwas wacher als üblich, träumt etwas weniger. Er überprüft die Verbindungen, von denen alle Vorgänge innerhalb des mächtigen Gebäudes abhängig sind: Nahrungsbeschaffung, statistische Aufzeichnung der Geburten und Todesfälle, Berichte über die atmosphärische Beschaffenheit, das Nachfüllen von Drogen in den Verteilerautomaten, Kommunikationsverbindungen und so fort, fort, fort. Und während er seine Abstimmungen vornimmt, hantiert er beiläufig an einer Kontrollvorrichtung herum und stellt eine direkte Verbindung zum Datenspeicher her. Jetzt steht er in direkter Verbindung mit dem Zentralgehirn, der großen Maschine. Es läßt eine Serie von goldenen Lichtern aufblitzen, teilt ihm auf diese Weise mit, daß es bereit ist, ein neues Programm zu empfangen. Er weist es an, eine Passierkarte für Michael Statler von Apartment 70.411 auszustellen, sie dem besagten Statler an jeder beliebigen Empfangsstelle auszuhändigen und ihr so lange Gültigkeit zu geben, bis sie benützt wird. Da er darin eine Chance für seine eigene Feigheit sieht, ändert er die letzte Anweisung sofort wieder: gültig nur innerhalb von zwölf Stunden nach der Ausgabe. Die Passierkarte soll für das Verlassen des Gebäudes als auch für das Wiederbetreten gelten, sofern das verlangt wird. Ein Symbol blitzt auf, das ihm verrät, daß seine Anweisung angenommen worden ist. Gut. Jetzt zeichnet er zwei Botschaften auf, die fünfzehn Stunden nach Ausgabe der Passierkarte weitergeleitet werden sollen. An Micaela Quevedo, Apartment 76.124. Liebe Schwester, ich habe es getan, wünsch mir viel Glück. Ich werde dir etwas Sand vom Meeresstrand mitbringen. Und die andere Botschaft an Stacion Statler, Apartment 70.411. Darin erklärt er kurz, wohin er gegangen ist und warum. Sagt ihr, daß er bald wieder zurück sein wird, daß sie sich nicht zu sorgen braucht, daß es etwas ist, was er einfach tun muß. Soweit sein Abschied.
    Seine Schicht ist zu Ende. Es ist jetzt 1730. Es hat keinen Sinn, das Gebäude jetzt zu verlassen, da bald die Nacht anbricht. Er kehrt zu Stacion zurück; sie essen zu Abend, er spielt mit den Kleinen, sie sehen sich eine Zeitlang an, was der Bildschirm bietet, sie lieben sich. Vielleicht das letzte Mal. »Du wirkst sehr zurückgezogen heute, Michael«, sagt sie.
    »Ich bin müde. Die Arbeit war sehr aufreibend heute.« Sie döst vor sich hin. Er läßt sie in seinen Armen liegen. Weich und warm und groß, sie wächst mit jeder Sekunde. Die Zellen im Mutterleib teilen sich, auf magische Weise entsteht neues Leben. Gott segne! Er vermag nur schwer die Vorstellung zu ertragen, daß er von ihr gehen wird. Aber dann erstrahlt der Bildschirm mit Bildern von fernen Ländern. Capri bei Sonnenuntergang, grauer Himmel, graue See, Wege winden sich über Felsklippen, die mit weichem Grün überwachsen sind. Da ist die Villa des Kaisers Tiberius. Bauern und Schäfer sind hier, und sie leben wie vor zehntausend Jahren, unberührt von den Veränderungen der übrigen Welt. Keine Urbmons hier. Liebhaber können sich im Gras wälzen, wenn sie wollen. Und sieh hier, diese Männer in groben Kleidern, sie reichen einen Krug voll goldenen Weins herum, hier inmitten der Felder, in denen die Reben wachsen! Wie dunkel ihre Haut ist. Wie Leder, wenn Leder wirklich so ausgesehen hat – wie kann man sich dessen sicher sein? Jedenfalls sind

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