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Ein glücklicher Tag im Jahr 2381

Ein glücklicher Tag im Jahr 2381

Titel: Ein glücklicher Tag im Jahr 2381 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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aber alles andere schmeckt hervorragend. Er ißt nachdenklich und geht dann wieder ans Fenster. Der Mittelpunkt des Dorfplatzes ist jetzt leer, nur am gegenüberliegenden Rand sieht er acht oder zehn Männer, die im Licht von drei grell strahlenden Lichtkugeln an landwirtschaftlichen Maschinen arbeiten; offenbar eine Reparaturmannschaft. Seine Zelle liegt jetzt in völliger Dunkelheit. Da er nichts weiter tun kann, legt er seine Kleider ab und streckt sich auf den Decken aus. Obwohl er durch die ungewohnten körperlichen Strapazen des heutigen Tages erschöpft ist, liegt er noch lange wach, denkt fieberhaft darüber nach, was ihn am nächsten Tag erwarten wird.
    Er verfällt schließlich in einen unruhigen Schlaf.
    Kaum eine oder zwei Stunden später wird er durch eine mißtönende Musik wieder aus dem Schlaf gerissen. Er setzt sich auf: Rote Schatten flackern über die Zellenwand. Eine Art visueller Projektionen? Oder ein Feuer draußen? Er eilt zum Fenster. Ja. Eine riesige Menge trockenen Holzes, Zweige und Äste, Wurzeln und Blattwerk, das alles steht inmitten des Dorfplatzes in Flammen. Er hat noch nie ein Feuer gesehen, nur manchmal auf dem Bildschirm, und dieser Anblick ängstigt ihn und fasziniert ihn zugleich. Diese lodernden roten Flammen, die emporsteigen und sich wie in Nichts auflösen – wo gehen sie hin? Und er kann die strahlende Hitze sogar von hier aus fühlen. Dieser ständige Strom, die sich verändernden Formen der tanzenden Flammen – wie unglaublich schön! Und bedrohlich. Haben sie keine Angst vor dem Feuer? Aber natürlich, da ist ein Ring kahler Erde, der rund um das Feuer aufgehäuft ist. Darüber kann das Feuer nicht hinweg. Die Erde brennt nicht.
    Er zwingt seine Augen vom Feuer weg. Ein Dutzend Musiker sitzen links davon beieinander. Ihre Instrumente wirken sehr altertümlich – sie werden durch Blasen, Schlagen oder Kratzen betätigt, und die Töne sind unsauber und ungenau, wie Michael mit seinem ungewöhnlich gut geschulten Gehör feststellen kann. Den Farmern scheint das jedoch nichts auszumachen. Hunderte von ihnen, vielleicht die ganze Dorfbevölkerung, sitzen in ungeordneten Reihen um das Feuer herum, ihre Köpfe schwingen im Rhythmus der Melodien mit, Absätze schlagen gegen den Boden, Hände klatschen im Takt gegen Ellbogen. Der Schein des Feuers verwandelt die Dorfbewohner in eine Versammlung von Dämonen; das rote Glühen zuckt in unheimlicher Weise über ihre halbnackten Körper. Er sieht Kinder unter ihnen, aber nicht sehr viele. Zwei hier, eins dort, viele erwachsene Paare ohne ein einziges. Er ist wie betäubt von der Erkenntnis: Sie schränken ihre Geburten ein! Es läuft ihm eiskalt über den Rücken. Dann belächelt er sein unwillkürliches Erschrecken; er begreift, daß er durch Konditionierung ein Urbmon-Bewohner ist, wie auch immer seine Gene aussehen mögen.
    Die Musik wird noch wilder. Das Feuer lodert hell auf. Die Farmer beginnen zu tanzen. Michael erwartet einen formlosen, rasenden Tanz, ein Durcheinander von herumfliegenden Armen und Beinen, aber nein: Überraschenderweise ist er sehr streng und diszipliniert, eine kontrollierte und formvollendete Folge von Bewegungen. Männer in dieser Reihe, Frauen in jener; vorwärts, rückwärts, Wechsel des Partners, Ellbogen hoch, Kopf zurückwerfen, die Knie beugen, dann springen, umwenden, neue Reihen bilden, sich an den Händen fassen. Sie werden immer schneller, aber der Rhythmus bleibt deutlich unterscheidbar und zusammenhängend. Ein ritualisiertes Fortschreiten von Bewegungsmustern. Die Augen geradeaus, die Lippen aufeinandergepreßt. Das ist keine lärmende Festlichkeit, stellt er plötzlich fest; es ist ein religiöses Zeremoniell. Die Riten der Farmbewohner. Worauf wollen sie hinaus? Soll er das Opferlamm sein? Die Vorsehung hat ihnen einen Urbmon-Bewohner geschickt, wie? In panischer Angst blickt er sich um, ob irgendwo ein Kessel, ein Bratspieß, ein Pfahl oder sonst irgend etwas zu sehen ist, in dem er gekocht, an dem er aufgespießt und gebraten werden könnte. Im Urbmon gehen schreckliche Geschichten über die Farmerkommunen um, die er immer als Übertreibungen und Legenden abgetan hat. Aber vielleicht ist doch etwas daran.
    Wenn sie ihn holen kommen, beschließt er, wird er sich zur Wehr setzen und sie angreifen. Lieber will er niedergeschossen werden, als auf dem Dorfaltar zu sterben.
    Doch eine halbe Stunde vergeht, ohne daß auch nur jemand in Richtung seiner Zelle blickt. Das Tanzen ist ohne

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