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Ein glücklicher Tag im Jahr 2381

Ein glücklicher Tag im Jahr 2381

Titel: Ein glücklicher Tag im Jahr 2381 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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Unterbrechung weitergegangen. Die in Schweiß gebadeten Farmer wirken wie Traumfiguren. Nackte Brüste schwingen hin und her; geweitete Nasenflügel, glühende Augen. Neue Scheite fliegen in das Feuer. Die Musiker gehen zu immer erregenderen Rhythmen über. Und jetzt, was ist das? Maskierte Gestalten ziehen feierlich in die Mitte des Dorfplatzes: drei Männer, drei Frauen. Die Frauen tragen ovale Körbe bei sich, in denen die Erzeugnisse der Gemeinde zu sehen sind: Saatgut, Weizenähren, grobes Mehl. Die Maskierten führen eine siebente Person in ihrer Mitte, eine Frau. Zwei von ihnen halten ihre Arme fest, und einer stößt sie von hinten. Sie ist schwanger, schon ziemlich fortgeschritten, in ihrem sechsten oder siebten Monat. Sie trägt keine Maske, ihr Gesicht ist starr und angespannt, die Augen sind angstvoll geweitet. Sie stoßen sie vor dem Feuer nieder und bleiben links und rechts von ihr stehen. Sie kniet da, ihr Kopf fällt nach vorn, ihr langes Haar berührt fast den Boden, und ihre angeschwollenen Brüste erbeben bei jedem ihrer unregelmäßigen Atemzüge. Einer der maskierten Männer – es ist unmöglich, sie sich nicht als Priester vorzustellen – stimmt einen salbungsvollen Gesang an. Eine der maskierten Frauen legt je eine Weizenähre in die Hände der Schwangeren. Eine andere bestreut ihren Rücken mit Mehl; es bleibt an ihrer verschwitzten Haut kleben. Die dritte streut Körner in ihr Haar. Die anderen beiden Männer fallen in den Gesang ein. Michael, der sich an den Gitterstangen seines Zellenfenster festhält, fühlt sich wie um Jahrtausende in der Zeit zurückgeworfen, zu einer Opferfeier der Steinzeit; er vermag kaum zu glauben, daß sich nur einen Tagesmarsch von hier entfernt der Tausend-Etagen-Block des Urban Monad 116 erhebt.
    Sie sind damit fertig, die schwangere Frau mit ihren Erzeugnissen zu bestreuen. Zwei der Priester heben die zitternde Frau jetzt wieder hoch, und eine der Priesterinnen reißt ihr das einzige Kleidungsstück vom Leib. Ein Aufschrei von den Dorfbewohnern. Sie drehen sie herum, enthüllen allen ihre Nacktheit. Die starke Wölbung ihres Leibes. Die breiten Hüften, die festen Schenkel, der fleischige Po.
    Michael spürt die gefährliche Stimmung, die in der Luft liegt, und preßt sein Gesicht gegen die Gitterstäbe. Ist nicht er, sondern sie als das Opfer vorgesehen? Die Dorfbewohner kommen in Bewegung, tanzen auf das Feuer, auf die Schwangere zu. Sie steht verängstigt da, hält krampfhaft die Weizenähren fest, preßt ihre Schenkel zusammen, dreht ihre Schultern in einer Art und Weise hin und her, die erkennen läßt, daß sie sich ihrer Nacktheit schämt. Und sie versammeln sich um sie, beschimpfen sie lautstark, machen Gesten der Verachtung. Sie zeigen auf sie, starren sie haßerfüllt an, beschuldigen sie. Eine verurteilte Hexe? Eine Ehebrecherin? Die Frau sinkt sichtlich in sich zusammen. Die Menge hat einen dichten Kreis um sie geschlossen. Und dann geht es los. Sie schlagen sie, stoßen sie, bespucken sie. Gott segne, nein! »Laßt sie in Ruhe!« schreit außer sich vor Zorn und Mitleid Michael. »Ihr schmutzigen Proles, laßt eure dreckigen Hände von ihr!« Sein Schreien geht in der lauten Musik völlig unter. Etwa ein Dutzend der Farmer haben sie umringt und stoßen sie hin und her. Einer versetzt ihr einen Stoß mit beiden Händen; die Frau verliert das Gleichgewicht, kann sich gerade noch halten, stolpert durch den Kreis, nur um an ihren Brüsten gepackt und wieder zurückgeworfen zu werden. Sie schluchzt und schreit, ihre Angst könnte nicht größer sein, sie sucht nach einem Ausweg, aber der Ring bleibt dicht geschlossen, und sie stoßen sie wie einen Spielball herum. Als sie schließlich zu Boden fällt, reißen sie sie wieder hoch und mißhandeln sie weiter, indem sie ihr unter die Arme greifen und sie so von einem zum anderen wirbeln. Dann öffnet sich der Kreis. Andere Dorfbewohner drängen auf sie zu. Noch mehr Beschimpfungen, und dann hagelt es Schläge. Sie schlagen alle mit der offenen Handfläche zu, doch niemand scheint ihren Bauch zu treffen, aber die Schläge werden mit aller Kraft ausgeführt; eine Blutspur läuft über ihr Kinn und ihre Kehle, und ihre Stürze haben blutende Abschürfungen auf einem Knie und ihrem Hintern hinterlassen; sie hinkt. Verwundbar, wie sie in ihrer Nacktheit ist, macht sie keinen Versuch, sich zu wehren oder ihre Leibesfrucht zu schützen. Sie klammert sich an den Weizenähren fest und erduldet alle Mißhandlungen,

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