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Ein glücklicher Tag im Jahr 2381

Ein glücklicher Tag im Jahr 2381

Titel: Ein glücklicher Tag im Jahr 2381 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Silverberg
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Erntemaschine. Ihre glänzende, braunmetallene Haut reflektiert die züngelnden Flammen des Feuers. Wie ein mächtiger Götze. Moloch. Baal.
    Der Dorfplatz ist jetzt voll von Farmern. Ein wichtiges Ereignis scheint bevorzustehen.
    Hör zu, Artha, es war nur ein Mißverständnis. Ich dachte, du begehrst mich, und ich handelte nach den Gebräuchen unserer Gesellschaft, verstehst du das nicht? Sex ist bei uns keine so komplizierte Sache. Es ist wie ein ausgetauschtes Lächeln. Es ist nicht mehr, als würde man sich an den Händen fassen. Wenn zwei Menschen zusammen sind und sich zueinander hingezogen fühlen, dann tun sie es, verkehren geschlechtlich miteinander, kopulieren, und warum auch nicht? Was ist schon dabei? Ein ganz natürliches Vergnügen. Ich wollte dir doch nur Vergnügen bereiten, wirklich. Wir kamen doch so gut voran. Wirklich.
    Trommeln setzen ein. Dazu kommen die schrillen Mißtöne irgendwelcher Blasinstrumente. Orgiastisches Tanzen beginnt. Gott segne, ich will leben! Nun kommen die Priester und Priesterinnen mit ihren alptraumhaften Masken. Kein Zweifel, das ganze Zeremoniell soll wieder zelebriert werden; er denkt an den Unfruchtbarkeitstanz. Nur werde diesmal ich das Opfer sein.
    Eine Stunde und mehr geht vorbei, und die Vorgänge auf dem Dorfplatz werden immer rasender, aber niemand kommt, um ihn zu holen. War das wieder ein Mißverständnis von ihm? Hat das heutige Ritual ebenso wenig mit ihm zu tun wie das der letzten Nacht?
    Ein Geräusch an seiner Tür. Er hört, wie das Schloß aufschnappt. Die Tür geht auf. Die Priester kommen, ihn zu holen! Sein Ende ist gekommen, wie?
    Aber es ist Artha, die in seine Zelle kommt.
    Sie schließt schnell die Tür hinter sich und lehnt sich mit dem Rücken dagegen. Durch das Fenster gelangt der zuckende Widerschein des Feuers; in ihm sieht er ihr strenges, entschlossenes Gesicht und ihren angespannten Körper. Diesmal trägt sie auch ihre Waffe. Sie geht kein Risiko mehr ein.
    »Artha! Ich…«
    »Leise. Wenn du am Leben bleiben willst, dann sprich nicht so laut.«
    »Was ist da draußen los?«
    »Sie bereiten den Erntegott vor.«
    »Für mich?«
    »Für dich.«
    Er nickt. »Ich nehme an, du hast ihnen gesagt, daß ich dich vergewaltigen wollte. Und jetzt werde ich bestraft. In Ordnung. In Ordnung. Es ist nicht gerecht, aber wer erwartet schon Gerechtigkeit?«
    »Ich habe ihnen nichts gesagt«, beteuert sie. »Sie haben ihre Entscheidung zur Zeit des Sonnenuntergangs gefällt. Ich habe keinen Einfluß darauf gehabt.«
    Es klingt ehrlich, aber er ist sich noch nicht ganz sicher, ob er ihr glauben soll.
    »Sie werden dich um Mitternacht vor Gott bringen«, fährt sie fort. »Im Augenblick beten sie darum, daß er dich dankbar annehmen möge. Das Gebet wird ziemlich lange dauern.« Sie geht vorsichtig an ihm vorbei – als erwarte sie, daß er sich jeden Augenblick wieder auf sie stürzen würde – und sieht zum Fenster hinaus. »Sehr gut. Niemand wird es bemerken. Du kommst mit mir und machst dabei nicht das geringste Geräusch. Wenn ich mit dir zusammen entdeckt werde, dann muß ich dich töten und vorgeben, daß du fliehen wolltest. Sonst kostet es auch mein Leben. Komm schon. Komm!«
    »Wohin?«
    »Komm!« Ein Flüstern wie ein Windstoß, voll von Ungeduld und Drängen.
    Sie führt ihn aus der Zelle heraus. Ohne zu begreifen, folgt er ihr durch ein Labyrinth von Durchgängen, durch feuchte unterirdische Kammern und durch schmale Korridore, bis sie schließlich von der Gebäuderückseite ins Freie gelangen. Er zittert leicht, als er die kalte Nachtluft spürt. Musik und Gesang tönen vom Dorfplatz zu ihnen herüber. Artha bedeutet ihm durch Gesten, ihr zu folgen, läuft zwischen zwei Häusern hindurch, sieht sich nach allen Seiten um und winkt ihm erneut. Er rennt hinter ihr her. Mit schnellen und nervösen Sprüngen erreichen sie den Rand der Gemeinde. Er wirft einen Blick zurück; von hier aus kann er das Feuer, den Götzen und die kleinen tanzenden Gestalten wie auf einem Bildschirm sehen. Vor ihm liegen die Felder. Über ihm strahlen die Sterne und glänzt die Sichel des abnehmenden Mondes. Ein plötzliches Geräusch. Artha hält ihn fest und zieht ihn mit sich hinunter, hinter eine Gruppe dicht nebeneinander gepflanzter Sträucher. Ihr Körper berührt den seinen; er spürt ihre Brüste, und es durchzuckt ihn wie feurige Nadeln, doch er wagt nicht, sich zu bewegen oder etwas zu sagen. Jemand geht vorbei; vielleicht ein Wachtposten. Breiter Rücken,

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