Ein glücklicher Tag im Jahr 2381
würde – natürlich in einer metaphorischen Weise, indem du für die ganze Gesellschaft stehst, aus der du kommst –, so wäre das eine mystische Bestätigung der Einheit unserer beiden Gesellschaften, ein Symbol der Brücke, die von der Gemeinde zum Urbmon und vom Urbmon zur Gemeinde führt, und – nein, lassen wir das lieber. Vielleicht werden sie es wieder vergessen. Seit dem Unfruchtbarkeitstanz ist erst ein Tag vergangen; so schnell brauchen wir keinen weiteren Schutz vor dem göttlichen Unwillen. Das habe ich ihnen gesagt. Und ich würde sagen, daß du gute Chancen hast, wieder freizukommen.«
»Gute Chancen«, wiederholt er niedergeschlagen. »Wie schön.« Das ferne Meer. Der mit Vulkanasche bedeckte Vesuv. Jerusalem. Der Taj Mahal. Das alles ist jetzt so weit weg wie die Sterne. Das Meer. Das Meer. Diese übelriechende Zelle. Er ist verzweifelt.
Artha versucht, ihn etwas aufzumuntern. Sie hockt sich dicht neben ihm auf den Boden. Ihre Augen sind warm, mitfühlend. Von ihrer früheren, fast militärischen Strenge ist nichts mehr zu merken. Sie scheint ihn zu mögen. Sie versteht ihn besser, als ob es ihr gelungen sei, die Barriere der kulturellen Unterschiede zu überwinden, die ihn zuvor so fremdartig erscheinen ließ. Und so geht es auch ihm. Das Trennende zwischen ihnen baut sich ab. Ihre Welt ist zwar nicht die seine, aber er nimmt an, daß er sich mit einigen Dingen vertraut machen könnte. Man muß zunächst von einer Übereinstimmung ausgehen. Er ist ein Mann, sie ist eine Frau. Die Grundlagen. Alles andere ist nur Fassade. Aber während sie miteinander reden, wird ihm doch immer wieder von neuem bewußt, wie sehr sie sich von ihm unterscheidet und er sich von ihr. Er fragt sie einiges über ihre Person, und sie sagt ihm, daß sie unverheiratet sei. Er ist überrascht und erklärt ihr, daß in den Urbmons niemand unverheiratet bleibt, nachdem er das Alter von zwölf oder dreizehn überschritten hat. Sie sagt, sie ist einunddreißig. Warum hat eine Frau, die so attraktiv ist, nie geheiratet? »Wir haben schon genug verheiratete Frauen hier«, antwortet sie. »Ich hatte keinen Grund zu heiraten.« Will sie denn keine Kinder haben? Nein, absolut nicht. Die Gemeinde hat bereits die vorgesehene Anzahl von Müttern. Es gibt andere Verantwortlichkeiten, die sie zu tragen hat. »Was für welche?« Sie erklärt ihm, daß sie zu der Verbindungsgruppe gehört, die den Handel mit den Urbmons organisiert. Und das ist auch der Grund, warum sie seine Sprache so gut beherrscht; sie verhandelt oft mit den Urbmons wegen Tauschgeschäften von Ernteerzeugnissen gegen industrielle Güter oder wegen Reparaturleistungen, wenn an den gemeindeeigenen Maschinen Defekte auftreten, die ihre Techniker nicht selbst beheben können, und so fort. »Vielleicht habe ich deine Anrufe gelegentlich überwacht«, sagt er. »Einige der Verbindungen, die ich überwache, gehen durch die Beschaffungsebene. Wenn ich jemals wieder zurückkomme, dann werde ich dir zuhören, Artha.« Sie schenkt ihm ein blendendes Lächeln. Er beginnt zu vermuten, daß er sie bald ganz für sich gewonnen hat.
Sie fragt ihn nach dem Leben im Urbmon.
Sie war noch nie in einem; all ihre Kontakte mit den Urban Monads fanden nur über die Kanäle der Telekommunikation statt. Sie ist offenbar sehr neugierig. Sie will alles von ihm beschrieben haben, die Wohnapartments, das Transportsystem, die Schulen, die Freizeiteinrichtungen. Wer bereitet das Essen vor? Wer entscheidet über den Beruf der Kinder? Kann man von einer Stadt in die andere ziehen? Wie bringt ihr es fertig, euch nicht gegenseitig zu hassen, wenn ihr so dicht aufeinander leben müßt? Wo bringt ihr all die Leute unter, wenn ihr euch so vermehrt? Fühlt ihr euch nicht wie Gefangene? Tausende von euch drängen sich wie Bienen in einem Bienenstock – wie könnt ihr das nur aushaken? Und die schale Luft, das blasse künstliche Licht, die Trennung von der natürlichen Welt außerhalb. Sie kann es nicht verstehen: dieses enge, zusammengepreßte Leben. Und er versucht ihr den Urbmon zu erklären und wie sehr selbst er, der davor geflohen ist, dieses Gebäude eigentlich liebt. Er beschreibt ihr alles, die Maschinerie und das menschliche Zusammenleben, die ganze Vielfalt des Lebens im Urbmon. Artha nickt, ergänzt seine Worte, wenn er einen Satz nur halb ausspricht, um schon den nächsten zu beginnen, und ihr Gesicht rötet sich vor Begeisterung, als sie zunehmend in den Bann seiner mit Verve vorgetragenen
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