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Ein Gott der keiner war (German Edition)

Ein Gott der keiner war (German Edition)

Titel: Ein Gott der keiner war (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: André Gide , Arthur Koestler , Ignazio Silone
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scheuche er ein lästiges Insekt beiseite, „du solltest an die Masse des Volkes herankommen."
    „Du hast ja etwas von meinen Arbeiten gesehen", sagte ich. „Ist es nicht gerade eben gut genug, mir den berechtigten Anspruch auf eine solche Chance zu geben?"
    „Die Partei kann sich nicht mit deinen Gefühlen befassen”, sagte er. „Möglicherweise gehöre ich nicht in die Partei", konstatierte ich mit aller Deutlichkeit.
    „0 nein, sag doch so etwas nicht", sagte er schnaufend. Er sah mich an. „Du bist reichlich offen."
    „Ich spreche das aus, was ich empfinde", sagte ich. „Ich möchte mit euch von Anfang an im reinen sein. Ich habe verdammt viel blödsinnigen Arger in der Partei gehabt."
    Er lachte und brannte sich eine Zigarette an.
    „Dick", sagte er kopfschüttelnd, „der Kummer ist, daß du zu viel mit diesen weißen Künstlern aus dem Norden zusammengewesen bist. Du redest sogar schon so wie sie. Du solltest lieber deine eigenen Leute kennenlernen."
    „Die glaube ich zu kennen", sagte ich, und war mir klar, daß ich mit ihm nie würde wirklich reden können. „Ich bin in dreiviertel aller Negerwohnungen aus dem Südbezirk gewesen."
    „Aber du solltest mit ihnen gemeinsam arbeiten", sagte er.
    „Ich war dabei, gemeinsam mit Ross zu arbeiten, bis man mich verdächtigte, ein Spion zu sein", sagte ich.
    „Dick", sagte er jetzt in vollem Ernst, „die Partei hat beschlossen, daß du diese Aufgabe zu übernehmen hast."
    Ich schwieg. Ich kannte die Bedeutung dessen, was er gesagt hatte. Ein Beschluß war die höchste Aufforderung, die einem Kommunisten von seiner Partei übermittelt werden konnte, und einen Beschluß nicht befolgen hieß, die Aktionsfähigkeit der Partei überhaupt zunichte machen. Im Prinzip stimmte ich dem auch von ganzem Herzen zu, denn ich wußte, daß es den Arbeitern unmöglich war, ihre politischen Machtinstrumente zu schmieden, ehe nicht Einheit des Handelns erreicht war. Seit Jahrhunderten unterdrückt, zersplittert, ohne Hoffnung, verdorben, mißleitet, waren sie ebenso voller Hohn, wie ich es früher gewesen war, und die Einheitsmethode der Kommunisten hatte sich in der Geschichte als einziges Mittel erwiesen, Disziplin zu erreichen. Kurz, Nealson hatte mich geradeheraus gefragt, ob ich ein Kommunist sei oder nicht. Ich wollte ein Kommunist sein, aber ein Kommunist nach meiner Art. Ich wollte die Empfindungen der Menschen formen, ihre Herzen wachrütteln. So etwas konnte ich Nealson nicht sagen; er würde einfach nur geschnauft haben.
    „Ich werde den Ausschuß organisieren und dann jemand anderem übergeben«, schlug ich vor.
    „Du willst es eigentlich nicht tun, nicht wahr?” fragte er. „Nein", sagte ich mit fester Stimme.
    „Was würdest du also sonst hier im Südbezirk tun wollen?" „Ich würde gern die Negerkünstler organisieren", sagte ich. „Aber die Partei braucht das zur Zeit nicht", sagte er.
    Ich stand auf, wohl wissend, daß er nicht die Absicht hatte, mich später gehen zu lassen, nachdem ich den Ausschuß organisiert hatte. Ich wollte ihm sagen, daß ich dies alles satt hätte, aber ich war noch nicht so weit, die Dinge auf die Spitze zu treiben. Ich ging hinaus, böse mit mir selbst, böse mit ihm, böse mit der Partei. Nun schön, ich hatte mich dem Beschluß nicht widersetzt, aber ebensowenig hatte ich ihn völlig akzeptiert. Ich hatte Ausflüchte gebraucht, um Zeit zum Schreiben zu gewinnen, Zeit zum Nachdenken.
     
     
    10
     
    Meine Aufgabe bestand darin, bis spät in die Nacht hinein Versammlungen beizuwohnen, an Diskussionen teilzunehmen oder ganz im allgemeinen zusammen mit anderen Kommunisten die Bevölkerung im Südbezirk propagandistisch aufzuklären. Wir besprachen die Wohnverhältnisse, die besten Wege, die Stadtverwaltung zur Genehmigung öffentlicher Untersuchungen über die Lebensbedingungen der Negerbevölkerung zu zwingen. Ich biß die Zähne zusammen, wenn der Tagespreis für Schweinekoteletten registriert wurde, und wünschte sehnlichst dabei, daheim bei meiner Schreiberei zu sein.
    Nealson war schlauer als ich und stellte mich, ehe ich die Chance gehabt hatte, ihn zu stellen. Ich wurde eines Abends aufgefordert, mit Nealson und einem „Freund" zusammenzutreffen. Als ich in einem Restaurant im Südbezirk eintraf, wurde ich einem untersetzten Gelben vorgestellt, der eine Haltung hatte wie Napoleon. Er trug eine Brille, und seine vollen Lippen waren ständig zusammengepreßt, als sei er fortwährend mit Nachdenken beschäftigt. Er

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