Ein Gott der keiner war (German Edition)
niemand war sich dessen bewußt. Ich prüfte die Situation und brachte dann die Angelegenheit bei einigen weißen Freunden zur Sprache, die einflußreiche Stellungen in der Works Progress Administration bekleideten. Ich bat sie, die weiße Leiterin, samt all ihren seltsamen ästhetischen Begriffen, durch jemanden zu ersetzen, der die Neger und das Theater kenne. Sie versprachen mir, die Sache in die Hand zu nehmen.
Innerhalb eines Monats war die weiße Leiterin auf einen anderen Posten versetzt worden. Wir zogen vom Südbezirk zum Loop um und wurden in einem erstklassigen Theater untergebracht. Als Direktor schlug ich – mit Erfolg – Charles DeSheim, einen begabten Juden, vor. DeSheim und ich hielten lange Besprechungen ab, bei denen ich umriß, was meiner Ansicht nach erreicht werden könnte. Ich drang darauf, daß unsere erste Darbietung drei Einakter enthalten sollte, darunter Paul Greens Hymn to the Rising Sun , ein bitterernster, dichterisch hochstehender und wirksamer Einakter, der die Zustände bei den aneinandergeketteten Verbrecherkolonnen in den Südstaaten behandelte.
Ich war glücklich. Endlich war ich in einer Stellung, wo ich Vorschläge machen und dafür sorgen konnte, daß sie ausgeführt wurden. Ich war überzeugt, daß wir eine seltene Chance hatten, ein echtes Negertheater aufzubauen. Ich berief eine Versammlung ein und stellte DeSheim dem Negerensemble vor, indem ich ihnen erklärte, daß er ein Mensch sei, der das Theater kenne und sie der ernsthaften dramatischen Kunst zuführen werde. DeSheim hielt eine Ansprache, in der er sagte, daß er nicht am Theater sei, um dieses zu leiten, sondern um den Negern bei der Leitung desselben behilflich zu sein. Er sprach so schlicht und beredt, daß sie aufstanden und applaudierten.
Stolz teilte ich dann Exemplare von Paul Greens Hymn to the Rising Sun an alle Mitglieder des Ensembles aus. DeSheim verteilte die Rollen zur Leseprobe. Ich setzte mich zurück, um ausgereifte dramatische Kunst der Neger zu genießen. Irgend etwas ging jedoch dabei schief. Die Neger stammelten und blieben im Text stecken. Schließlich hörten sie überhaupt auf zu lesen. DeSheim sah erschrocken auf. Einer der Negerspieler erhob sich.
„Mr. DeSheim", begann er, „wir finden dies Stück unanständig. Wir wünschen nicht in einem solchen Stück vor der amerikanischen Öffentlichkeit zu spielen. Ich glaube nicht, daß es derartige Zustände im Süden gibt. Ich habe im Süden gelebt und nie habe ich solche zusammengeketteten Verbrecher gesehen. Mr. DeSheim, wir möchten ein Stück, durch das wir die Zuneigung des Publikums gewinnen."
„Was für eine Art Stück wollen Sie?" fragte DeSheim.
Sie wußten es nicht. Ich ging ins Büro und sah ihre Papiere durch und ich fand, daß die meisten von ihnen ihr Leben lang beim Tingel-tangel gespielt hatten, weil ihnen das regelrechte Theater verschlossen war, und nun kam es heraus, daß sie vom regelrechten Theater nichts wissen wollten, daß ihnen vor Angst die Spucke wegblieb bei der Aussicht, in einem Stück auftreten zu müssen, das dem Publikum möglicherweise nicht gefiel, wenngleich sie dieses Publikum nicht verstanden und auf keine Weise sein Gefallen oder Mißfallen im voraus zu bestimmen vermochten.
Ich hatte – allerdings nur vorübergehend – das Gefühl, daß die Weißen vielleicht recht hatten, daß Neger eben Kinder waren und nie erwachsen werden würden. DeSheim teilte dem Ensemble mit, daß er jedes Stück, das sie wollten, aufführen lassen würde, und sie saßen da wie erschrockene Mäuse, nicht imstande, ihren unklaren Wünschen Ausdruck zu verleihen.
Als ich wenige Tage später ins Theater kam, fand ich zu meinem Entsetzen, daß das Ensemble eine Petition aufgesetzt hatte, welche die Entlassung DeSheims forderte. Ich wurde aufgefordert, die Petition zu unterschreiben, und verweigerte es.
„Erkennt Ihr eure eigenen Freunde nicht?" fragte ich sie.
Sie starrten mich wütend an. Ich rief DeSheim ins Theater und wir hielten eine aufgeregte Besprechung ab.
„Was soll ich tun?" fragte er.
„Suchen Sie, ihr Vertrauen zu gewinnen", sagte ich. „Lassen Sie sie wissen, daß sie ein Recht dazu haben, die Abstellung der Übelstände zu verlangen."
DeSheim hielt meinen Rat für vernünftig, holte sich dementsprechend das Ensemble zusammen und erklärte ihnen, daß sie ein Recht dazu hätten, gegen ihn zu petitionieren, wenn sie es durchaus wollten, daß er jedoch glaube, irgendwelche bestehenden Mißverständnisse
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