Ein Gott der keiner war (German Edition)
einzige Gegenbeschuldigung ausgegraben. Ich hatte niemanden angegriffen. Ich hatte nichts abgeschworen.
Am nächsten Abend besuchten mich zwei kommunistische Neger in meiner Wohnung. Sie gaben vor, nichts von dem zu wissen, was auf der Zellenversammlung losgewesen war. Ich setzte ihnen auseinander, was geschehen war.
„Deine Geschichte stimmt nicht mit dem überein, was Nealson sagt", erklärten sie, damit den Grund ihres Besuches aufdeckend.
„Und was sagt Nealson?” erkundigte ich mich.
„Er sagt, daß du mit einer Trotzkistengruppe in Verbindung stehst und daß du einen Appell an andere Parteimitglieder gerichtet hast, dir beim Austritt aus der Partei zu folgen."
„Was?" Ich schnappte nach Luft. „Das ist nicht wahr. Ich bat darum, auf meine Mitgliedschaft zu verzichten. Ich habe keine politischen Fragen aufgeworfen." Was bedeutete das? Ich saß in Nachdenken versunken. „Nun, vielleicht sollte ich einen klaren Bruch mit der Partei herbeiführen. Wenn Nealson auf diese Weise reagieren wird, werde ich austreten."
„Austreten kannst du nicht", erklärten sie mir.
„Was soll das heißen?" wollte ich wissen.
„Niemand kann aus der Kommunistischen Partei austreten." Ich blickte sie an und lachte.
„Das ist ja Blödsinn, was ihr da redet", sagte ich.
„Nealson würde dich vor aller Öffentlichkeit ausstoßen, dir allen Boden unter den Füßen entziehen, wenn du austreten würdest. Die Leute würden denken, daß irgend etwas dahinterstecken müßte, wenn jemand wie du hier im Südbezirk die Sache hinschmeißt.«
Ich war wütend. War die Partei so schwach und ihrer selbst so wenig sicher, daß sie das, was ich bei dem Zellenabend gesagt hatte, nicht akzeptieren konnte? Wer dachte sich diese Taktiken aus? Dann plötzlich verstand ich. Das waren die geheimen Untergrundtaktiken der Kommunisten unter den Zaren im alten Rußland! Die Kommunistische Partei hatte das Gefühl, daß sie mich lediglich deswegen moralisch umbringen müsse, weil ich mich nicht an ihre Beschlüsse gebunden fühlen wollte. Ich sah jetzt, daß meine Genossen einem Phantasiebild getreu handelten, das nicht die geringste Beziehung zu ihrer tatsächlichen Umgebung hatte.
„Sagt Nealson, wenn er gegen mich kämpft, werde ich, bei Gott, ihn wieder bekämpfen", sagte ich. „Wenn er diese verdammte Geschichte läßt, wie sie ist, dann gut. Wenn er meint, ich würde nicht in aller Öffentlichkeit gegen ihn auftreten, ist er verrückt!"
Ich konnte nicht in Erfahrung bringen, ob meine Erklärung Nealson zu Ohren gekommen war. Ich wurde nicht in der Öffentlichkeit von der Partei angegriffen, aber in den Reihen der Partei selbst brach ein Sturm los, und ich wurde als Verräter gebrandmarkt, als wankelmütiger Charakter und als ein Mensch, dessen Glauben versagt hatte.
Meine Genossen hatten mich, meine Familie und meine Freunde gekannt; sie hatten, weiß Gott, meine schmerzende Armut gekannt. Nie aber war es ihnen gelungen, ihre Furcht zu überwinden vor der mir eigenen Art, zu leben und zu handeln, einer Eigenart, welche das Leben selbst mir bis ins Mark eingebrannt hatte.
11
Ich wurde durch das Arbeitsamt von dem Jungenklub aus dem Südbezirk weg an das Bundes-Negertheater überwiesen, um dort als Propagandaleiter zu arbeiten. Es gab Tage, da ich völlig ausgehungert war nach den nie endenwollenden analysierenden Gesprächen mit den Genossen; aber bei allen Neuigkeiten, die ich aus dem inneren Leben der Partei hörte, handelte es sich um Anklagen und Gegenanklagen, Repressalien und Gegenrepressalien.
Das Bundes-Negertheater, für das ich Propaganda machte, hatte eine Reihe durchschnittlicher Theaterstücke gespielt, die auf „Negerstil" zurechtgestutzt worden waren, mit Dschungelszenen, Negerhymnen und allem Drum und Dran. Die verknöcherte Weiße, die das Theater leitete, Typ einer ältlichen Missionarin, pflegte sich ein Stück vorzunehmen, das unter Weißen spielte und seinen Stoff aus dem Mittelalter bezog, modelte es nach den Lebensverhältnissen der Neger aus den Südstaaten um, überschattet von einem afrikanischen Hintergrund. Zeitgenössische Stücke, die sich in realistischer Weise mit dem Leben der Neger beschäftigten, wurden als polemisch zurückgewiesen. Es gab etwa vierzig Negerschauspieler und -schauspielerinnen im Theater, die dort auf Rollen wartend unzufrieden herumlungerten.
Welch eine Verschwendung von Talenten, dachte ich. Hier war eine Gelegenheit zur Aufführung wertvoller Negerdramatik, und
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