Ein Gott der keiner war (German Edition)
sagte er.
Er rannte davon. Ein paar Augenblicke später kam er mit einer dicken, schwerfälligen weißen Frau zurück. Er machte uns miteinander bekannt.
„Sie können heute nacht bei uns schlafen", sagte sie.
Ich ging mit zu ihrer Wohnung, und sie stellte mich ihrem Mann vor. Ich dankte ihnen für ihre Gastfreundlichkeit und legte mich auf einem Feldbett in der Küche zur Ruhe. Um sechs Uhr stand ich auf, zog mich an, klopfte an ihre Tür und verabschiedete mich von ihnen. Ich ging auf die Straße hinaus, setzte mich auf eine Bank, nahm Bleistift und Papier und versuchte, rasch ein paar Stichworte für die Beweisführung niederzuschreiben, die ich zur Verteidigung der John Reed Clubs vorbringen wollte. Aber das Problem der Klubs schien nicht so wichtig. Was einzig wichtig schien, war dies: konnte ein Neger jemals auch nur halbwegs wie ein Mensch leben in diesem gottverdammten Lande?
An diesem Tag saß ich während der ganzen Kongreßsitzung mit da, aber was ich dort hörte, berührte mich nicht. An diesem Abend fragte ich mich nach Harlem durch und durchwanderte Straßen, die von schwarzem Leben angefüllt waren. Als ich Vorübergehende danach fragte, erfuhr ich zu meinem Erstaunen, daß es praktisch kein Hotel für Neger in Harlem gibt. Ich wanderte beharrlich weiter. Schließlich sah ich ein hochgebautes, sauberes Hotel; Schwarze durchschritten die Tür, und Weiße waren nirgends in Sicht. Zuversichtlich trat ich ein und war überrascht, einen weißen Angestellten hinter dem Pult zu sehen. Ich zögerte.
„Ich hätte gern ein Zimmer", sagte ich.
„Nicht bei uns."
„Aber ist hier nicht Harlem?" fragte ich.
ja, aber dieses Hotel ist nur für Weiße."
„Wo ist ein Hotel für Farbige?"
„Sie können es im „Y" versuchen", sagte er; er meinte den Christlichen Verein junger Männer (YMCA).
Eine halbe Stunde später fand ich das Haus der Negergruppe dieses Vereins, der ein Bollwerk der Rassendiskrimination für junge Schwarze war, erhielt ein Zimmer, nahm ein Bad und schlief zwölf Stunden lang. Als ich aufwachte, hatte ich keine Lust, zu dem Kongreß zu gehen. Ich lag im Bett und dachte nach. „Ich muß allein meinen Weg gehen ... Ich muß erst wieder lernen, wie ... "
Ich zog mich an und wohnte der Sitzung bei, auf welcher der endgültige Beschluß gefaßt wurde, die Klubs aufzulösen. Es ging gleich sehr lebhaft los. Ein New Yorker kommunistischer Schriftsteller gab einen zusammenfassenden Überblick über die Geschichte der Klubs und stellte den Antrag zu ihrer Auflösung. Die Diskussion begann und ich stand auf, erklärte, was die Klubs für viele junge Schriftsteller bedeutet hätten und ersuchte darum, sie weiterbestehen zu lassen. Ich setzte mich inmitten allgemeinen Stillschweigens. Die Diskussion wurde geschlossen. Es wurde zur Abstimmung gerufen. Der Raum war erfüllt von aufgehobenen Händen für die Auflösung. Dann kam die Aufforderung an jene, die anderer Meinung waren, und meine Hand allein ging in die Höhe. Ich wußte, daß mein Widerstand als Opposition gegen die Kommunistische Partei ausgelegt werden würde, aber ich dachte: „Sollen sie, zum Teufel!"
9
Mit der Auflösung der John Reed Clubs war ich nunmehr frei von allen parteilichen Bindungen. Ich vermied die Zellenabende aus Angst, der Disziplin unterworfen zu werden. Zuweilen kam ein kommunistischer Neger – der Vorschrift trotzend, wonach verdächtige Elemente zu meiden seien – zu mir nach Hause und informierte mich über die laufenden Anschuldigungen, die von den Kommunisten gegeneinander erhoben wurden. Zu meinem Erstaunen hörte ich, daß Buddy Nealson mich als „reaktionären Schleicher" gebrandmarkt hatte.
Buddy Nealson war jener Neger, der die Position der amerikanischen Neger im Kommunismus formuliert hatte; er hatte im Kreml Vorträge gehalten; er hatte vor Stalin selbst gesprochen.
„Warum nennt Nealson mich so?" fragte ich.
„Er sagt, du wärst ein entarteter Kleinbürger."
„Was meint er damit?"
„Er sagt, daß du die Partei mit deinen Ideen vergiftest." „Wieso?"
Es erfolgte keine Antwort. Ich kam zu dem Schluß, daß meine Beziehung zur Partei so gut wie zu Ende war; ich würde austreten müssen. Die Angriffe wurden schlimmer, und meine Ablehnung, darauf einzugehen, stachelte Nealson dazu auf, noch absurdere Wendungen zu prägen. Ich wurde „intellektueller Bastard" genannt, und „angehender Trotzkist"; man bezichtigte mich, eine „gegen die Führung gerichtete Haltung" einzunehmen
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