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Ein Gott der keiner war (German Edition)

Ein Gott der keiner war (German Edition)

Titel: Ein Gott der keiner war (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: André Gide , Arthur Koestler , Ignazio Silone
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Experimentierbühne wurde ich zur Schriftstellerhilfe versetzt und suchte mein Brot durch das Schreiben von Reiseführern zu verdienen. Viele Schriftsteller in diesem Hilfsunternehmen waren Mitglieder der Kommunistischen Partei und standen zu ihrem revolutionären Gelübde, das sie davon abhielt, mit einem „Verräter der Arbeiterklasse" zu sprechen. Ich saß im Büro an ihrer Seite, aß neben ihnen in den Restaurants und fuhr gemeinsam mit ihnen in den Fahrstühlen herauf und hinunter, aber sie blickten immer nur geradeaus, ohne ein Wort zu sagen.
    Nachdem ich bei diesem Unternehmen ein paar Monate gearbeitet hatte, wurde ich zum „verantwortlichen Bearbeiter für literarische Artikel" gemacht, und prompt geriet ich in politische Schwierigkeiten. Eines Morgens rief mich der Leiter des Unternehmens zu sich ins Büro.
    „Wright, wer von den Leuten in diesem Betrieb hier ist Ihr Freund?" fragte er.
    „Ich weiß nicht", sagte ich. „Warum?"
    „Nun, Sie sollten es bald in Erfahrung bringen."
    „Wie meinen Sie das?"
    „Gewisse Leute fordern Ihre Entlassung mit der Begründung, daß Sie unfähig seien", sagte er.
    „Wer?"
    Er nannte verschiedene meiner einstigen Genossen. Ja, so weit war es also gekommen. Sie versuchten mir den nötigsten Lebensunterhalt zu nehmen.
    „Was beabsichtigen Sie auf ihre Beschwerden hin zu tun?" fragte ich.
    „Nichts”, sagte er lachend. „Ich glaube, ich verstehe, was hier gespielt wird. Ich werde es nicht zulassen, daß man Sie aus dieser Stellung herausdrängt."
    Ich dankte ihm und stand auf, um zur Tür zu gehen. Etwas in seinen Worten aber hatte eigenartig geklungen. Ich wandte mich um und blickte ihm gerade ins Gesicht.
    „Aus dieser Stellung?" wiederholte ich. „Wie meinen Sie das?" „Wollen Sie damit sagen, Sie wüßten es nicht?" fragte er.
    „Wüßte nicht was? Wovon reden Sie eigentlich?"
    „Warum sind Sie vom Negertheater weggegangen?"
    „Ich hatte Schwierigkeiten. Sie trieben mich aus der Stellung, die Neger dort."
    „Und Sie glauben nicht, daß die irgendwie dazu ermutigt wurden?" fragte er ironisch.
    Ich setzte mich wieder hin. Das war abscheulich. Ich starrte ihn an. „Sie brauchen hier keine Angst zu haben", sagte er. „Arbeiten Sie nur, schreiben Sie."
    „Es ist schwer, das zu glauben", murmelte ich.
    „Denken Sie nicht mehr dran", sagte er.
    Das Schlimmste aber sollte erst noch kommen. Eines Tages schloß ich mittags meinen Schreibtisch und fuhr im Fahrstuhl hinunter. Als ich im Erdgeschoß des Hauses angekommen war, sah ich einen Propagandazug in den Straßen herumziehen. Viele der Männer und Frauen, die Plakate trugen, waren alte Freunde von mir, und sie forderten in Sprechchören höhere Löhne für die Künstler und Schriftsteller der Works Progress Administration . Es war dies keiner jener Umzüge, dessen Durchschreiten untersagt war, und als ich daher aus der Tür trat und weitergehen wollte, schrie jemand meinen Namen:
    „Das ist Wright, der verdammte Trotzkist!"
    „Dich kennen wir, du —1"
    „Wright ist ein Verräter!"
    Einen Augenblick lang schien mir, als ob ich aufgehört hätte zu leben. Nun hatte ich also den Punkt erreicht, da man mich auf den belebten Straßen der zweitgrößten Stadt Amerikas laut verfluchte. Es erschütterte mich, wie noch nichts vorher.
     
    Tage vergingen. Ich arbeitete weiter in meiner Stellung, wo ich als Vorsitzender der Betriebszelle des Verbandes tätig war, den ich zu gründen mitgeholfen hatte, obgleich meine Wahl zum Geschäftsvorsitzenden von der Partei aus erbittert bekämpft worden war. In ihrem Bestreben, meinen Einfluß im Verband unwirksam zu machen, waren meine alten Genossen bereit, den Verband selbst zu vernichten.
    Als der 1. Mai 1936 herannahte, wurde von der Mitgliedschaft des Verbandes durch Abstimmung beschlossen, daß wir beim öffentlichen Umzug mitmarschieren sollten. Am Morgen des Maifeiertags erhielt ich die gedruckten Instruktionen über Zeit und Ort, wo unsere Verbandsgruppe sich zur Teilnahme am Aufmarsch zu versammeln habe. Am Mittag eilte ich dorthin und entdeckte, daß der Umzug schon begonnen hatte. Vergebens suchte ich nach dem Banner meiner Verbandsgruppe. Wo waren sie? Ich lief auf und ab und fragte, wo mein Bezirksverband sei.
    „Oh, der Bezirk ist schon vor einer Viertelstunde weg", berichtete mir ein Neger. „Wenn du mitmarschieren willst, reihe dich lieber irgendwo mit ein."
    Ich bedankte mich bei ihm und schritt durch die treibenden Massen. Plötzlich hörte ich meinen

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