Ein Gott der keiner war (German Edition)
könnten in freundschaftlicher Weise aus dem Weg geräumt werden.
„Wer hat Ihnen denn erzählt, daß wir dabei sind, eine Petition aufzusetzen?" erkundigte sich ein Schwarzer.
DeSheim blickte zu mir hinüber und stammelte etwas Unverständliches.
„Es gibt einen Verräter hier im Theater!" schrie eine junge Schwarze.
Nach der Versammlung kam eine Abordnung Neger zu 'mir ins Büro, zog die Taschenmesser und ließ sie, damit herumfuchtelnd, dicht vor meinem Gesicht aufblitzen.
„Raus hier, verdammt nochmal, ehe wir dir den Bauch aufschlitzen!" sagten sie.
Ich telephonierte meinem weißen Freunde von der Works Progress Administration an: „Versetzen Sie mich sofort in eine andere Stellung, oder ich werde umgebracht."
Innerhalb von vierundzwanzig Stunden erhielten DeSheim und ich unsere Papiere. Wir gaben uns die Hände und gingen jeder unseres Weges.
Ich wurde an eine weiße Experimentiertheatergruppe als Propagandaleiter versetzt und beschloß, meine Ideen für mich zu behalten, oder besser noch, sie aufzuschreiben und keinen Versuch zu machen, sie in die Wirklichkeit umzusetzen.
12
Eines Abends suchte mich eine Gruppe kommunistischer Neger in meiner Wohnung auf und bat in aller Heimlichkeit mit mir sprechen zu können. Ich nahm sie mit in mein Zimmer und verschloß die Tür.
„Dick", begannen sie unvermittelt, „die Partei möchte, daß du am Sonntag zu einer Versammlung kommst."
„Warum?" fragte ich. „Ich bin nicht mehr Mitglied."
»Schon gut. Sie möchten, daß du dabei bist", sagten sie.
„Kommunisten sprechen auf der Straße nicht mehr mit mir", sagte
ich. „Also, warum wollt ihr mich nun bei der Versammlung haben?" Sie wichen aus. Sie wollten es mir nicht sagen.
„Wenn ihr mir das nicht sagen könnt, kann ich auch nicht kommen", sagte ich.
Sie flüsterten miteinander und entschlossen sich endlich, mich ins Vertrauen zu ziehen.
„Dick, es wird gegen Ross verhandelt werden", sagten sie. „Weswegen?"
Sie zählten eine lange Liste politischer Vergehen auf, deren er sich, ihrer Behauptung nach, schuldig gemacht hatte.
„Aber was hat das mit mir zu tun?"
„Wenn du kommst, wirst du es schon merken."
„So naiv bin ich ja nun nicht", sagte ich. Ich war jetzt mißtrauisch. Versuchten sie, mich so zu einer Verhandlung zu locken und dann aus der Partei auszustoßen? „Diese Verhandlung könnte sich als gegen mich gerichtet erweisen."
Sie schworen, daß keine Absicht bestünde, gegen mich zu verhandeln, daß die Partei lediglich wünschte, ich solle der Verhandlung gegen Ross zuschauen, damit ich daraus lernen könnte, wie es „Feinden der Arbeiterklasse" erging.
Während sie so sprachen, überkam mich eine alte Vorliebe, Neues kennenzulernen. Ich wollte diese Verhandlung mit ansehen, aber ich wollte nicht riskieren, selbst Gegenstand der Verhandlung zu werden.
„Hört zu", erklärte ich ihnen. „Nealsons Beschuldigungen gegen mich sind völlig grundlos. Wenn ich mich bei dieser Verhandlung zeigen würde, würde es aber so aussehen."
„Nein, wirklich nicht. Bitte komm."
„Gut. Aber das laßt euch gesagt sein: Wenn man mir eine Falle stellen will, werde ich kämpfen. Verstanden? Ich traue Nealson nicht. Ich bin kein Politiker und kann nicht alle die Winkelzüge eines Mannes vorauswissen, der jede Stunde des Tages mit Intrigen hinbringt."
Am darauffolgenden Sonntagnachmittag fand die Verhandlung gegen Ross statt. Mehrere Genossen standen unauffällig Wache, im Verhandlungssaal, an den Türen, auf der Straße und in den Gängen. Als ich erschien, wurde ich umgehend eingelassen. Ich war gespannt. Es war die Regel, daß man nach dem Betreten einer Versammlung dieser Art nicht eher fortgehen durfte, als bis sie zu Ende gegangen war; es wurde befürchtet, man könne zur Polizei gehen und alle denunzieren.
Ross, der Angeklagte, saß allein an einem Tisch an der Stirnseite des Saals, mit verstörtem Gesicht. Er tat mir leid; doch wurde ich das Gefühl nicht los, daß er es genoß. Für ihn war dies wahrscheinlich der Höhepunkt eines sonst öden Daseins.
Beim Versuch zu begreifen, warum die Kommunisten die Intellektuellen hassen, wandten sich meine Gedanken wieder jenen Darstellungen zu, die ich von der Russischen Revolution gelesen hatte. Es hatte im alten Rußland Millionen armer, unwissender Menschen gegeben, die von ein paar gebildeten hochfahrenden Adligen ausgebeutet wurden, und es wurde somit für die russischen Kommunisten ganz natürlich, Verrat mit dem
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