Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein grüner Junge: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Ein grüner Junge: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Ein grüner Junge: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor M. Dostojewskij
Vom Netzwerk:
erstaunliche Dinge zu äußern, die mich offensichtlich herausfordern sollten. Diese Idee ließ mich ziemlich kalt, allgemein gesprochen, aber trotzdem fingen wir beide Feuer und waren dabei immer aufrichtig. Überhaupt denke ich sogar jetzt noch an all diese Gespräche mit Vergnügen zurück. Am liebsten aber plauderte er über Frauen, und da ich infolge meiner Abneigung gegen Unterhaltungen über dieses Thema kein guter Gesprächspartner war, zeigte er sich sogar manchmal betrübt.
    Kaum war ich an diesem Vormittag erschienen, fing er damit an. Ich fand ihn sehr vergnügter Stimmung, während ich ihn am Tag vorher aus irgendeinem Grunde außerordentlich niedergeschlagen verlassen hatte. Indessen mußte ich unbedingt noch heute die Sache mit meinem Gehalt klären – vor der Ankunft gewisser Personen. Ich rechnete damit, daß wir heute unbedingt unterbrochen würden (mein Herz mußte ja seinen Grund gehabt haben) und ich, das war durchaus möglich, den Mut verlieren und über das Geld schweigen könnte. Da das Gespräch über das Geld einfach nicht aufkommen wollte, ärgerte ich mich selbstverständlich über meine Dummheit und feuerte, ich weiß es noch genau, gereizt durch eine nur allzu scherzhafte Frage von ihm, meine sämtlichen Ansichten über Frauen in einer förmlichen Salve und mit ungeheurer Heftigkeit auf ihn ab. Und so kam es, daß ich mir seine Begeisterung selbst zu verdanken hatte.
    III
    »… Ich mag keine Frauen, weil sie brutal sind, weil sie täppisch sind, weil sie unselbständig sind und weil sie sich anstößig kleiden.« Das war der zusammenhanglose Schluß meiner langen Tirade.
    »Erbarmen, mein Lieber, Erbarmen!« rief er höchst belustigt, was mich noch mehr erboste. Nachgiebig und kleinlich bin ich nur in Kleinigkeiten, aber in der Hauptsache gebe ich nie nach. In Kleinigkeiten aber, in puncto gesellschaftlicher Konventionen, kann man bei mir Gott weiß was erreichen, und diesen meinen Charakterzug habe ich oft genug verwünscht. Aus stinkender Gutmütigkeit war ich manches Mal geneigt, sogar einem gesellschaftlichen Hohlkopf zuzustimmen, bestochen durch seine Manieren, oder ließ mich auf den Disput mit einem Idioten ein, was völlig unverzeihlich ist. Das alles liegt an mangelnder Selbstbeherrschung und daran, daß ich in einem Winkel aufgewachsen bin. Man zieht sich erbost zurück und schwört, daß sich morgen so etwas nicht wiederholen wird, aber morgen ist es wieder dasselbe. Darum wurde ich gelegentlich für einen kaum Sechzehnjährigen gehalten. Aber statt mich in Selbstbeherrschung zu üben, ziehe ich es auch heute noch vor, mich noch dichter, noch tiefer in meinem Winkel abzuschotten, auch wenn es noch so menschenfeindlich aussieht: “Mag ich nicht umgänglich sein, meinetwegen, also adieu!” Ich meine das ernst und für immer. Übrigens schreibe ich dies keineswegs im Hinblick auf den Fürsten und nicht einmal anläßlich des damaligen Gesprächs.
    »Ich sage das überhaupt nicht, um Sie zu erheitern«, ich fuhr ihn beinahe an, »ich äußere einfach meine Überzeugung.«
    »Aber wieso sind die Frauen brutal und anstößig gekleidet? Das ist mir neu.«
    »Brutal. Gehen Sie doch mal ins Theater. Gehen Sie auf die Promenade. Jeder Mann hält sich rechts, man begegnet sich und geht weiter, der eine rechts, der andere links. Die Frauen dagegen, das heißt eine Dame, ich spreche von Damen, die segelt direkt auf einen zu, ohne auf einen zu achten, als wäre man unbedingt verpflichtet, zur Seite zu springen und auszuweichen. Ich bin ja bereit nachzugeben, zumal einem schwächeren Geschöpf, aber was hat das mit einem Recht zu tun, warum ist sie so sehr davon überzeugt, daß ich es muß – das ist beleidigend! Ich habe nur ausgespuckt, nach einer solchen Begegnung. Und da jammern sie noch, sie würden unterdrückt, und verlangen Gleichberechtigung; was ist das für eine Gleichberechtigung, wenn sie mich über den Haufen rennt oder mir den Mund mit Sand vollstopft!«
    »Mit Sand!«
    »Ja! Weil sie sich anstößig kleiden; nur einem Lüstling fällt das nicht auf. In den Gerichten werden die Türen geschlossen, wenn über Unanständiges verhandelt wird; wieso ist so etwas auf den Straßen erlaubt, wo doch viel mehr Menschen zugegen sind? Sie polstern sich hinten mit frou-frous aus, um zu zeigen, daß sie belles femmes sind: vor aller Augen! Das kann ich unmöglich übersehen, kein Kind, das heißt, kein heranwachsender Knabe kann das übersehen; das ist niederträchtig. Alte

Weitere Kostenlose Bücher