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Ein grüner Junge: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Ein grüner Junge: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Ein grüner Junge: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor M. Dostojewskij
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hast.«
    »Machen Sie sich nichts daraus, ich bitte Sie.«
    »Du warst allein, du hast es mir selbst gesagt. Und schon dieser Lambert … Du hast es so bildhaft erzählt: dieser Kanarienvogel, diese Konfirmation mit Tränen und Umarmungen und dann, nach kaum einem Jahr, seine Mutter und der Abbé … Oh, mon cher, diese Kinderfrage ist in unserer Zeit einfach grauenhaft: Solange diese Goldköpfchen mit ihren Locken und ihrer Unschuld in ihrer frühesten Kindheit vor dir flattern und dich anschauen, mit ihrem hellen Lachen und den strahlenden Äuglein, sind sie wie Engel Gottes oder wie reizende Vögelchen; aber dann … aber dann erweist es sich manchmal, es wäre besser, sie wären gar nicht groß geworden!«
    »Wie weichherzig Sie sind, Fürst! Als hätten Sie eigene Kinder. Dabei haben Sie keine Kinder und werden nie welche haben.«
    » Tiens !« Seine Miene veränderte sich im Nu, »gerade hat Alexandra Petrowna, vorgestern, hehe, Alexandra Petrowna Sinitzkaja, ich glaube, du hast sie vor ungefähr drei Wochen hier erlebt, stell dir vor, sie hat mir vorgestern auf meine launige Bemerkung, daß ich, falls ich jetzt heiraten würde, wenigstens beruhigt sein könnte, daß keine Kinder mehr kommen könnten, plötzlich und sogar ausgesprochen bösartig gesagt: ›Im Gegenteil, Sie werden welche haben, solche Menschen wie Sie bekommen unbedingt Kinder, sogar schon nach dem ersten Jahr werden Kinder dasein. Sie werden es sehen.‹ Hehe! Alle bilden sich aus irgendeinem Grunde ein, daß ich plötzlich heiraten würde; das war vielleicht boshaft gesagt, aber witzig, das mußt du zugeben.«
    »Witzig, aber beleidigend.«
    »Ach, cher enfant, man kann nicht von jedermann beleidigt werden. Ich schätze die Menschen nach ihrem Witz ein, der heutzutage immer seltener wird, und die Meinung einer Alexandra Petrowna – was zählt die schon?«
    »Was, was haben Sie gesagt?« hakte ich nach. »Man kann nicht von jedermann … So ist das! Nicht jedermann ist es wert, beachtet zu werden – ein hervorragender Grundsatz. Gerade den brauche ich. Das will ich mir notieren. Ihre Bonmots, Fürst, sind manchmal fabelhaft.«
    Er strahlte.
    » N’est-ce pas ? Cher enfant, der wahre Witz wird heutzutage immer seltener, je weiter, desto mehr. Eh, mais … C’est moi, qui connaît les femmes ! Glaube mir, das Leben jeder Frau, was sie auch predigen mag, ist nichts als ein ewiges Suchen nach Unterordnung … eine, sozusagen, Sucht nach Unterordnung. Und das gilt – merk dir das – ausnahmslos für sie alle.«
    »Absolut richtig, ausgezeichnet!« rief ich begeistert. Bei einer anderen Gelegenheit hätten wir uns sogleich in philosophische Erörterungen vertieft, stundenlang, aber plötzlich fühlte ich so etwas wie einen Stich, und ich wurde puterrot. Es war der Gedanke, daß ich ihm, indem ich sein Bonmot lobte, wegen des Geldes schmeicheln könnte und daß er unbedingt darauf kommen müßte, sobald ich darum bitten würde. Ich erwähne dies absichtlich.
    »Fürst, ich bitte Sie ergebenst, mir sofort die mir für diesen Monat zustehenden fünfzig Rubel auszuhändigen.«
    Das kam wie aus der Pistole geschossen und so gereizt, daß es an Grobheit grenzte.
    Ich erinnere mich (wie ich mich an alle Einzelheiten dieses Vormittags erinnere), daß sich zwischen uns eine in der realen Wirklichkeit widerwärtige Szene abgespielt hat. Zuerst hat er mich überhaupt nicht verstanden, sah mich lange an, ohne zu begreifen, von welchem Geld ich sprach. Natürlich hatte er nicht die geringste Vorstellung davon, daß ich ein Gehalt bekäme – wofür auch? Freilich, er versicherte gleich darauf, daß er es vergessen habe, und beeilte sich, als er verstanden hatte, sogleich einen Fünfzig-Rubel-Schein hervorzuziehen, aber viel zu hastig und sogar errötend. Sobald ich die Situation begriff, erhob ich mich und erklärte mit aller Schärfe, daß ich nunmehr das Geld unmöglich annehmen könne, da man mir, offenbar irrtümlicher- oder fälschlicherweise, ein Gehalt in Aussicht gestellt habe, damit ich die Stellung überhaupt annähme, und daß ich nun einsähe, keinen Anspruch darauf zu haben, weil von einer Dienstleistung ja gar nicht die Rede sein könne. Der Fürst erschrak und begann zu beteuern, daß ich ihm bis jetzt sehr wesentliche Dienste erwiesen habe, daß ich mit weiteren Aufgaben rechnen müsse und daß fünfzig Rubel eine so geringe Summe seien, daß er sie, im Gegenteil, erhöhen müsse, weil er sich dazu verpflichtet sehe und

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