Ein grüner Junge: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)
mehr.«
»Aber eintausend behalten Sie doch für sich?« Der Fürst fletschte die Zähne.
»Brauchen Sie es? In diesem Fall … ich wollte schon … ich hatte gedacht, Sie wünschten es nicht … aber, wenn Sie es brauchen – hier …«
»Nein, ich brauche es nicht.« Er wandte mir verächtlich den Rücken zu und nahm seine Wanderung durch das Zimmer wieder auf.
»Und weiß der Teufel, wie kommen Sie darauf, mir das Geld zurückzugeben?« Er drehte sich plötzlich mit einer unheimlich herausfordernden Miene wieder nach mir um.
»Ich gebe es Ihnen zurück, um von Ihnen Rechenschaft zu fordern«, brüllte ich meinerseits.
»Scheren Sie sich zum Teufel mit Ihren ewigen großen Worten und Gesten!« Plötzlich stampfte er wie außer sich mit dem Fuß auf. »Ich hatte schon längst vor, Sie beide aus dem Haus zu werfen, Sie und Ihren Werssilow!«
»Sie haben den Verstand verloren!« rief ich. Es sah ganz danach aus.
»Sie beide haben mich gequält mit Ihren ewigen Phrasen, lauter Phrasen, Phrasen, Phrasen! Über Ehre zum Beispiel! Pfui! Ich wollte dem schon lange ein Ende machen … ich bin froh, daß es jetzt soweit ist. Ich hielt mich für verpflichtet und fand es peinlich, daß ich gezwungen war, Sie zu empfangen … Sie beide! Jetzt aber erkenne ich keine Verpflichtung mehr an, gar keine, gar keine, haben Sie verstanden! Ihr Werssilow hat mich angestachelt, über die Achmakowa herzufallen und sie bloßzustellen … Unterstehen Sie sich, mir Vorträge über Ehre zu halten, denn Sie beide – sind ehrlos … Beide, beide; haben Sie sich denn nicht geschämt, mein Geld anzunehmen?«
Mir wurde dunkel vor Augen.
»Ich nahm es an, weil wir Freunde waren«, begann ich ganz, ganz leise, »Sie haben es mir selbst angeboten, und ich glaubte an Ihre Zuneigung …«
»Ich und Sie – Freunde! Ich habe Ihnen Geld gegeben, aber doch nicht deshalb, und Sie werden wohl wissen, weshalb.«
»Ich habe es auf Rechnung Werssilows genommen, natürlich war das dumm von mir, aber ich …«
»Sie haben das Geld auf Rechnung Werssilows ohne seine Genehmigung nicht nehmen können, und ich hätte Ihnen sein Geld ohne seine Genehmigung nicht geben dürfen … Ich habe Ihnen mein Geld gegeben, und Sie haben das gewußt; Sie haben das gewußt und haben es genommen; und ich habe diese verhaßte Komödie in meinem Haus geduldet!«
»Was habe ich gewußt? Welche Komödie? Warum haben Sie es mir denn gegeben?«
» Pour vos beaux yeux, mon cousin !« Er lachte mir ins Gesicht.
»Hol Sie der Teufel!« brüllte ich, »nehmen Sie alles, hier, auch diese tausend! Jetzt sind wir quitt, und morgen …«
Und ich warf nach ihm mit diesem Päckchen regenbogenfarbiger Scheine, das ich mir für den Neuanfang hatte behalten wollen. Das Päckchen traf seine Weste und klatschte auf den Boden. Mit drei raschen, riesigen Schritten stand er dicht vor mir.
»Wagen Sie zu behaupten«, fragte er wütend und abgehackt, jede Silbe betonend, »daß Sie diesen ganzen Monat Geld von mir genommen haben, ohne zu wissen, daß Ihre Schwester von mir schwanger ist?«
»Wie? Was?« schrie ich auf, und plötzlich wurden meine Füße so schwach, daß ich kraftlos auf den Diwan sank. Er hat mir selbst später gesagt, ich wäre buchstäblich so weiß geworden wie ein Leintuch. Mein Verstand verwirrte sich. Ich weiß nur noch, daß wir einander lange anstarrten. Es war, als spülte eine Welle des Erschreckens über sein Gesicht; plötzlich beugte er sich vor und faßte mich an den Schultern, um mich zu stützen. Heute noch sehe ich sein erstarrtes Lächeln; es war Mißtrauen und Staunen. Ja, er hatte mit einer solchen Wirkung seiner Worte nicht gerechnet, weil er von meiner Schuld überzeugt war.
Die Szene endete mit meiner Ohnmacht, die allerdings nur einen Augenblick dauerte; ich kam wieder zu mir, erhob mich, sah ihn an, sammelte meine Gedanken – und plötzlich offenbarte sich die ganze Wahrheit meinem Verstand, der so lange geschlummert hatte! Hätte man es mir früher eröffnet und mich gefragt: »Was würdest du mit ihm in einem solchen Augenblick tun?«, dann hätte ich bestimmt geantwortet, ich würde ihn in Stücke reißen. Aber nun geschah etwas ganz anderes, und zwar ganz und gar nicht nach meinem Willen. Ich schlug plötzlich beide Hände vors Gesicht und brach in bittere Tränen aus, hemmungslos schluchzend. Das geschah von selbst! In dem jungen Mann kam plötzlich das Kind zum Vorschein. Ein kleines Kind nahm also damals noch die Hälfte
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