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Ein grüner Junge: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Ein grüner Junge: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Ein grüner Junge: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor M. Dostojewskij
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der Erklärung verlange, verfange ich mich von neuem in dieser Welt und werde mich niemals mehr daraus befreien.” Der reinste Haß loderte in meinem Herzen. Mit aller Gewalt entschloß ich mich zu schweigen und blieb reglos liegen; auch sie verstummte für eine ganze Minute.
    »Wie geht es dem Fürsten Nikolaj Iwanowitsch?« fragte ich plötzlich, als hätte ich den Verstand verloren. Ich habe nämlich diese Frage nur gestellt, um das Thema zu wechseln, und kehrte damit abermals unbedacht zu der brennendsten Frage zurück, wie ein Wahnsinniger in jene Welt, der zu entfliehen ich mir soeben vorgenommen hatte.
    »Sie sind in Zarskoje Selo und sind ein wenig unpäßlich, in der Stadt herrscht ein hitziges Fieber, da wurde ihnen geraten, überzusiedeln, in ihr dortiges Haus, der besseren Luft wegen.«
    Ich antwortete nicht.
    »Anna Andrejewna und die Generalin besuchen den Fürsten alle drei Tage, sie fahren oft zusammen hin.«
    Anna Andrejewna und die Generalin (das heißt sie ) sind Freundinnen! Sie fahren zusammen aus! Ich schwieg.
    »Sie haben eine feste Freundschaft geschlossen, und Anna Andrejewna sprechen so gut über Katerina Nikolajewna, dermaßen gut, daß …«
    Ich schwieg immer noch.
    »Und Katerina Nikolajewna haben sich wieder der großen Welt zugewandt, ein Fest nach dem anderen, und sie überstrahlen alle; man erzählt, sogar die Höflinge haben sich in sie verliebt … und mit Herrn Bjoring haben sie völlig Schluß gemacht, und eine Hochzeit wird’s nicht geben; das behaupten alle … wohl seit damals, seit das passiert ist.«
    Das heißt seit Werssilows Brief. Ich zitterte am ganzen Leib, aber kein Wort kam über meine Lippen.
    »Anna Andrejewna bedauern innig den Fürsten Sergej Petrowitsch, und Katerina Nikolajewna ebenso, und alle sagen, er kriegt einen Freispruch, und den anderen, Stjebelkow, werden sie verurteilen.«
    Ich sah sie haßerfüllt an. Sie stand auf und beugte sich plötzlich tief zu mir herunter.
    »Anna Andrejewna haben mir aufgetragen, mich nach Ihrer Gesundheit zu erkundigen«, sie flüsterte regelrecht, »und sie befahlen, um einen Besuch bei ihr zu bitten, sobald Sie sich wieder kräftig genug fühlen und ausgehen werden. Leben Sie wohl, gute Besserung, ich werde es also ausrichten …«
    Sie ging. Ich setzte mich im Bett auf. Kalter Schweiß trat mir auf die Stirn, aber das, was ich fühlte, war nicht Erschrecken: Die mir unbegreifliche und widersinnige Nachricht von Lambert und seinem Treiben zum Beispiel hatte mich keineswegs so entsetzt, verglichen mit der dunklen Angst, mit der ich während meiner Krankheit und in den ersten Tagen meiner Genesung mich an unsere Begegnung in jener Nacht erinnert habe. Im Gegenteil, in jenem ersten Augenblick der Verwirrung, gleich nach dem Abschied von Nastassja Jegorowna, verweilte ich in meinem Bett gar nicht bei dem Gedanken an Lambert, sondern … gab mich vor allem der Nachricht über sie hin, über ihren Bruch mit Bjoring, über das Glück in der großen Welt, über ihre Erfolge und das »Überstrahlen«. »Sie überstrahlen alle«, glaubte ich Nastassja Jegorowna zu hören. Und plötzlich fühlte ich, daß ich mich aus eigenen Kräften aus diesem Wirbel nicht befreien konnte, wenn ich es auch fertiggebracht hatte, zu schweigen und Nastassja Jegorowna nach ihren phantastischen Erzählungen nicht weiter auszufragen! Der unermeßliche Durst nach jenem Leben, nach ihrem Leben, füllte meinen Geist aus und … und noch ein anderer süßer Durst, den ich als Wonnegefühl und als quälenden Schmerz empfand. Meine Gedanken gingen irgendwie im Kreis, aber ich ließ es geschehen. “Was gibt es da zu überlegen!” sagte mir mein Gefühl. “Sogar Mama hat mir verschwiegen, daß Lambert hier war”, dachte ich ohne jeden Zusammenhang, “Werssilow hat befohlen zu schweigen … Ich will lieber sterben, als Werssilow nach Lambert fragen!” – “Werssilow”, fiel mir wieder ein, “Werssilow und Lambert, oh, bei denen gibt es so viel Neues! Werssilow ist großartig! Er hat dem Deutschen, diesem Bjoring, mit seinem Brief einen Schrecken eingejagt; er hat sie verleumdet; la calomnie … il en reste toujours quelque chose , und dieser deutsche Hofschranze ist vor einem Skandal zurückgeschreckt – haha, da hat sie ihre Lektion!” – “Lambert … Ist nicht auch Lambert zu ihr vorgedrungen? Warum auch nicht! Warum sollte sie nicht auch mit ihm eine ›Beziehung‹ anknüpfen?”
    Aber da wies ich plötzlich diesen ganzen Unsinn

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