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Ein grüner Junge: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Ein grüner Junge: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Ein grüner Junge: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor M. Dostojewskij
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von mir und ließ verzweifelt den Kopf auf das Kissen fallen. »Das soll nicht sein!« rief ich plötzlich mit jäher Entschlossenheit aus, sprang aus dem Bett, fuhr in die Pantoffeln und in den Morgenmantel und begab mich unverzüglich in Makar Iwanowitschs Zimmer, als wäre dort der Hort gegen alle Versuchungen, die Rettung, der Anker, an dem ich Halt gewinnen könnte.
    In der Tat, es ist durchaus möglich, daß ich diesen Gedanken damals mit allen Kräften meiner Seele empfunden habe; warum hätte ich sonst so unaufhaltsam und so plötzlich damals aufspringen und in einer solchen Gemütsverfassung zu Makar Iwanowitsch stürzen können?
    III
    Aber bei Makar Iwanowitsch traf ich, ohne im geringsten darauf vorbereitet zu sein, Besuch an – Mama und den Arzt. Da ich aber aus irgendeinem Grunde der festen Überzeugung gewesen war, den alten Mann, wie auch gestern, allein anzutreffen, blieb ich vor dumpfem Staunen auf der Schwelle stehen. Aber ich hatte nicht einmal Zeit genug, darüber die Stirn zu runzeln, als Werssilow hereintrat und hinter ihm plötzlich auch Lisa … Das bedeutete, daß sich alle aus irgendeinem Grunde bei Makar Iwanowitsch versammelten, und zwar »ausgerechnet, als es mir überhaupt nicht paßte«!
    »Ich wollte mich nach Ihrem Befinden erkundigen und bin deshalb gekommen«, sagte ich unvermittelt, indem ich auf Makar Iwanowitsch zuging.
    »Danke, mein Lieber. Ich habe auf dich gewartet; ich wußte, daß du kommen würdest. Ich habe nachts an dich gedacht.«
    Er sah mir liebevoll in die Augen, und ich nahm wahr, daß er mich wohl mehr als alle anderen liebte, aber im selben Augenblick fiel mir auf, daß sein Gesicht zwar heiter war, die Krankheit in der Nacht aber dennoch Fortschritte gemacht hatte. Der Arzt hatte ihn gerade sehr gründlich untersucht. Später sollte ich erfahren, daß dieser Arzt (derselbe junge Mann, mit dem ich mich überworfen hatte und der Makar Iwanowitsch seit meinem Eintreffen behandelte) sich äußerst gewissenhaft mit seinem Patienten befaßte und bei ihm – leider beherrsche ich die medizinische Fachsprache nicht – ein Zusammentreffen mehrerer verschiedener Krankheiten befürchtete. Makar Iwanowitsch stand bereits – wie ich auf den ersten Blick bemerkte – in den engsten freundschaftlichen Beziehungen zu ihm; dies hatte mir sogleich mißfallen; übrigens war ich in jener Minute allerübelster Laune.
    »Im Ernst, Alexander Semjonowitsch, wie steht es heute um unseren lieben Kranken?« erkundigte sich Werssilow. Wäre ich nicht so konfus gewesen, hätte ich mit größtem Interesse das Verhalten Werssilows diesem alten Mann gegenüber beobachtet, worüber ich mir schon gestern abend meine Gedanken gemacht hatte. Am meisten verblüffte mich jetzt der außergewöhnlich milde und angenehme Gesichtsausdruck Werssilows; er war irgendwie vollkommen aufrichtig. Ich glaube, ich habe schon irgendwo einmal bemerkt, daß Werssilows Gesicht, sobald er auch nur einen Anflug von Offenherzigkeit zeigte, erstaunlich gut aussah.
    »Wir streiten doch immer wieder«, antwortete der Arzt.
    »Mit Makar Iwanowitsch? Das glaube ich nicht: Mit ihm kann man doch gar nicht streiten.«
    »Er folgt mir einfach nicht; und nachts schläft er nicht …«
    »Laß es doch gut sein, Alexander Semjonowitsch, laß doch das Schimpfen!« Makar Iwanowitsch lachte. »Wie steht es, Andrej Petrowitsch, mit unserem gnädigen Fräulein? Sie regt sich den ganzen Vormittag auf und macht sich Sorgen«, fügte er hinzu, indem er auf Mama deutete.
    »Ach, Andrej Petrowitsch«, rief Mama, tatsächlich außerordentlich besorgt, »erzähl doch endlich, quäl uns nicht: Wie wurde über sie, die Arme, Recht gesprochen?«
    »Unser Fräulein wurde schuldig gesprochen!«
    »Ach!« rief Mama aus.
    »Aber sie muß nicht nach Sibirien, beruhige dich! Sie muß nur fünfzehn Rubel Strafe zahlen, die reinste Komödie!«
    Er setzte sich, und auch der Arzt nahm Platz. Sie sprachen über Tatjana Pawlowna, und ich hatte von dieser Geschichte noch gar nichts gehört. Ich saß links von Makar Iwanowitsch, Lisa mir gegenüber, rechts; sie hatte heute offensichtlich einen eigenen, ganz besonderen Kummer, mit dem sie wohl zu Mama gekommen war; der Ausdruck ihres Gesichts war unruhig und gereizt. In dieser Minute trafen sich einmal unsere Blicke, und plötzlich dachte ich im stillen: “Wir sind beide in unserer Ehre getroffen, ich muß den ersten Schritt tun.” Plötzlich wandte sich mein Herz ihr wieder zu. Werssilow hatte

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