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Ein grüner Junge: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Ein grüner Junge: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Ein grüner Junge: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor M. Dostojewskij
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niemand betet.‹ Ein solches Gebet ist wahrhaft erreichend und gottgefällig. Und auch für alle Sünder, die noch am Leben sind: ›Herr, richte Du über ihr Los und erbarme Dich aller Unbußfertigen.‹ Dieses Gebet ist auch gut.«
    Ich versprach ihm, daß ich beten würde, weil ich fühlte, daß ich ihm durch dieses Versprechen eine außerordentliche Befriedigung verschaffen könnte. Und in der Tat, sein Gesicht strahlte vor Freude; aber ich beeile mich hinzuzufügen, daß er mich in solchen Fällen niemals herablassend behandelte, das heißt, wie ein Greis einen grünen Jungen, im Gegenteil, er selbst hörte mir gern zu, konnte sogar nicht genug hören von verschiedenen Themen, zwar in dem Bewußtsein, er habe es mit einem »Jünglink« zu tun, wie er sich im gehobenen Stil ausdrückte (er wußte sehr wohl, daß es »Jüngling« hieß und nicht »Jünglink«), aber gleichzeitig mit der Einsicht, daß dieser »Jünglink« mit seiner Bildung ihn unermeßlich überragte. Er verbreitete sich sehr gern über das Anachoreten-Leben und schätzte die »Einöde« unvergleichlich mehr als das »Pilgern«. Ich widersprach ihm eifrig, indem ich den Egoismus von Menschen anprangerte, die der Welt und dem Nutzen, den sie der Menschheit bringen könnten, den Rücken kehrten, einzig um der selbstsüchtigen Idee ihres Seelenheils willen. Er hat mich anfangs nicht verstanden, und ich vermute sogar, daß er mich überhaupt nicht verstand; aber die Einöde verteidigte er vehement. »Am Anfang bemitleidet man sich selber (das heißt, wenn man sich in die Einöde zurückgezogen hat) – aber dann wird die Freude immer größer, und dann wird man sogar Gott schauen.« Da entwarf ich vor ihm ein komplettes Tableau der nützlichen Tätigkeiten des Gelehrten, Mediziners, überhaupt eines Menschenfreundes in der Welt und versetzte ihn damit in eine wahre Begeisterung, weil ich auch selbst in Feuer geriet; immer wieder bestätigte er mich: »Jawohl, mein Lieber, jawohl, Gott segne dich. Das ist wahr gedacht«; aber als ich geendet hatte, wollte er dennoch nicht völlig mit mir übereinstimmen: »Das ist schon so«, sagte er nach einem tiefen Seufzer, »aber gibt es denn viele, die es durchhalten und nicht abirren? Geld ist zwar kein Gott, aber immerhin ein Halbgott – eine schwere Versuchung; und dazu kommt auch noch das weibliche Geschlecht und auch der Dünkel und der Neid. Und schon vergißt man die große Aufgabe und widmet sich der kleinen. Und in der Einöde? In der Einöde rüstet sich der Mensch sogar für jede große Tat. Mein Freund! Was ist schon die Welt?« rief er überschwenglich. »Ist sie nicht ein einziges Gaukelspiel? Nimm eine Handvoll Sand und säe den Sand auf einen Stein; wenn der gelbe Sand auf diesem deinem Stein aufgeht, dann wird auch dein Traum auf der Welt in Erfüllung gehen – so sagt man bei uns. Da heißt es bei Christus ganz anders: ›Geh hin und verteile deinen Reichtum und werde allen ein Diener.‹ Und du wirst reicher sein als vorher, unzählige Male reicher; denn nicht durch Essen und Trinken, nicht durch kostbare Kleider, nicht durch Stolz und der anderen Neid wirst du glücklich sein, sondern durch unermeßlich vermehrte Liebe. Und nicht nur ein unerheblicher Reichtum, nicht hunderttausend, nicht eine Million – die ganze Welt wird dein sein! Heute horten wir unersättlich und verschwenden ohne Sinn, dann aber wird es keine Waisen mehr geben, keine Bettler, denn alle gehören zu mir, alle sind meine Nächsten, alle habe ich gewonnen, alle bis auf den Letzten erworben! Heute geschieht es nicht selten, daß der Reichste und Vornehmste sich aus der Zahl seiner Tage nichts mehr macht und nicht mehr weiß, womit er sie ausfüllen kann; dann aber werden deine Tage und Stunden sich gleichsam tausendfach vermehren, denn du wirst nicht eine Minute verlieren wollen, sondern jede heiteren Herzens auskosten. Dann wirst du auch die Weisheit nicht bloß aus Büchern schöpfen, sondern von Angesicht zu Angesicht Gott schauen; und die Erde wird heller als die Sonne scheinen, und Schwermut und Seufzer werden nicht mehr sein, sondern ein einziges Paradies von unschätzbarer Köstlichkeit …«
    Gerade solche begeisterten Auftritte liebte Werssilow außerordentlich, glaube ich, diesmal war er in Makar Iwanowitschs Zimmer dabei.
    »Makar Iwanowitsch«, fiel ich ihm plötzlich ins Wort, selbst voll maßlosen Eifers (ich erinnere mich gut an jenen Abend), »aber Sie predigen ja Kommunismus, entschiedenen

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