Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ein grüner Junge: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Ein grüner Junge: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Ein grüner Junge: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor M. Dostojewskij
Vom Netzwerk:
Kommunismus, wenn Sie so reden!«
    Aber da er von der kommunistischen Lehre überhaupt nichts wußte, ja, selbst das Wort zum ersten Mal in seinem Leben hörte, begann ich auf der Stelle vorzutragen, was ich über dieses Thema wußte. Ich gebe zu, daß es nur wenig und nur Unsicheres war und daß ich auch heute noch nicht ganz kompetent bin; aber das, was ich wußte, trug ich mit größtem Eifer und völlig unbefangen vor. Heute noch erinnere ich mich mit Vergnügen an den außerordentlichen Eindruck, den ich auf den alten Mann gemacht habe. Es war sogar nicht nur ein Eindruck, sondern eine Erschütterung. Dabei interessierte er sich lebhaft für die historischen Details: »Wo? Wie? Wer hat das zustande gebracht? Wer hat das gesagt?« Übrigens ist mir aufgefallen, daß dies eine Eigenschaft des einfachen Volkes überhaupt ist: Es begnügt sich nicht mit einer Idee im allgemeinen, wenn es sich dafür besonders interessiert, sondern verlangt unbedingt konkrete und exakte Details. Ich aber war in den Details äußerst unsicher, und da ich mich in Werssilows Anwesenheit ein wenig genierte, war mein Eifer grenzenlos. Es endete schließlich damit, daß Makar Iwanowitsch, tief gerührt, nach jedem Wort nur wiederholte: »So ist’s, so ist’s!«, aber offensichtlich nichts mehr verstand und den Faden verloren hatte. Ich fand es ärgerlich, aber Werssilow unterbrach plötzlich das Gespräch, erhob sich und erklärte, es sei Zeit, schlafen zu gehen. Wir hatten uns alle wieder versammelt, und es war spät geworden. Als er wenige Minuten später in mein Zimmer kam, fragte ich ihn sofort: Was hält er von Makar Iwanowitsch im allgemeinen, und was denkt er über ihn? Werssilow lächelte belustigt (aber keineswegs über meine Schnitzer in bezug auf den Kommunismus, im Gegenteil, er erwähnte sie gar nicht). Ich wiederhole abermals, es war eindeutig, daß er an Makar Iwanowitsch hing, und ich habe oft auf seinem Gesicht ein äußerst anziehendes Lächeln beobachtet, wenn er dem alten Mann zuhörte. Ein Lächeln übrigens, das einer Kritik keineswegs im Wege stand.
    »Makar Iwanowitsch ist vor allem kein Bauer, sondern er gehörte zum Gesinde«, erklärte er bereitwillig, »ehemaliger Hofknecht und ehemaliger Diener, als Diener von Dienern geboren. Hofgesinde und Diener haben in früheren Zeiten sehr oft die Interessen des privaten, intellektuellen und religiösen Lebens ihrer Herrschaft geteilt. Beachte, daß Makar Iwanowitsch sich heute noch vorwiegend für die Ereignisse der herrschaftlichen Kreise interessiert. Du weißt noch nicht, wie sehr er sich für manches interessiert, was sich im Laufe der letzten Zeit in Rußland ereignet hat. Weißt du, daß er ein großer Politiker ist? Er wird die Semmel mit Honig liegenlassen, nur um zu hören, wo Krieg geführt wird und ob wir Krieg führen werden. In früheren Zeiten habe ich ihn mit solchen Gesprächen geradezu selig gemacht. Die Wissenschaft verehrt er sehr. Am meisten liebt er die Astronomie. Bei alledem hat er eine solche innere Unabhängigkeit erreicht, daß man in ihm unter keinen Umständen etwas auch nur um Haaresbreite verrücken könnte. Er hat seine Überzeugungen, feste und ziemlich klare und … aufrichtige. Obwohl er vollkommen ungebildet ist, verblüfft er plötzlich durch seine Bekanntschaft mit Begriffen, die man bei ihm niemals vermutet hätte. Er preist mit Begeisterung die Einöde, würde sich aber um nichts auf der Welt in die Einöde oder in ein Kloster zurückziehen, weil er ein ›Vagabund‹ reinsten Wassers ist, wie ihn Alexander Semjonowitsch so launig nennt, über den du dich, nebenbei gesagt, völlig unberechtigt ärgerst. Und schließlich, was noch: Er ist eine Künstlernatur, er hat viele eigene Worte, aber auch keine eigenen. Seine Logik hinkt, und gelegentlich ist er sehr abstrakt. Anwandlungen von Sentimentalität, aber einer absolut volkstümlichen, oder, besser gesagt, Anwandlungen jener dem gesamten Volk eigenen Innigkeit, die unser Volk so großzügig in sein religiöses Enmpfinden einfließen läßt. Von seiner Treuherzigkeit und Güte will ich nicht reden: Uns beiden steht dieses Thema nicht an …«
    III
    Um die Charakteristik Makar Iwanowitschs abzuschließen, will ich eine seiner Erzählungen wiedergeben, eigentlich aus seiner persönlichen Erfahrung. Der Charakter solcher Erzählungen war eigenartig, richtiger gesagt, sie hatten überhaupt keinen gemeinsamen Charakter; eine Moral oder allgemeine Tendenz war ihnen nicht zu entnehmen,

Weitere Kostenlose Bücher