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Ein grüner Junge: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Ein grüner Junge: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Ein grüner Junge: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor M. Dostojewskij
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Erklärung, wobei ich das sogenannte Künstlerische zum Opfer bringe und so tue, als sei sie überhaupt nicht von mir geschrieben, sondern eher ein unbeteiligtes entrefilet in den Zeitungen.
    Es war nämlich so, daß der Genosse meiner Kindheit, Lambert, durchaus und sogar in jeder Beziehung zu jenen abscheulichen Banden kleiner Gauner gezählt werden konnte, die sich zusammentun, um das zu treiben, was man heute Erpressung nennt und wofür man jetzt im Strafgesetzbuch Definitionen und Strafen findet. Die Bande, der Lambert angehörte, hatte sich noch in Moskau zusammengefunden und dort bereits manches verbrochen (in der Folge war man ihr auf die Schliche gekommen). Ich habe später gehört, daß sie in Moskau eine Zeitlang von einem außerordentlich erfahrenen und gescheiten älteren Mann angeführt wurden. Bei ihren Vorhaben gingen sie entweder als ganze Bande oder in kleineren Gruppen vor. Sie führten neben den schmierigsten und anrüchigsten Unternehmungen (von denen übrigens in den Zeitungen berichtet wurde) auch recht komplizierte und durchtriebene Pläne durch, unter der Leitung ihres Chefs. Von einigen habe ich später gehört, aber ich möchte keine Einzelheiten wiedergeben. Ich möchte lediglich erwähnen, daß ihr Prozedere im wesentlichen darin bestand, irgendwelche Geheimnisse von Personen auszukundschaften, von gelegentlich grundehrlichen und ziemlich hochgestellten Menschen; daraufhin sprachen sie bei diesen Personen vor, drohten, Dokumente (die sie manchmal gar nicht besaßen) zu veröffentlichen, und verlangten Schweigegeld. Es gibt Tatsachen, die keineswegs unmoralisch oder verbrecherisch sind, deren Veröffentlichung aber sogar einen anständigen und charakterfesten Menschen erschrecken würde. Sie setzten meistens auf Familiengeheimnisse. Als Beispiel für das geschickte Verfahren ihres Chefs erzähle ich, ohne überflüssige Details und in höchstens drei Zeilen, von einer ihrer Machenschaften. In einem höchst ehrenwerten Haus war es tatsächlich zu einer sowohl sündhaften als auch verbrecherischen Tat gekommen; und zwar ließ die Gattin eines bekannten und hochverehrten Mannes sich auf ein geheimes Liebesverhältnis mit einem jungen und reichen Offizier ein. Die Gauner brachten dies in Erfahrung und gingen folgendermaßen vor: Sie ließen den jungen Mann ohne Umschweife wissen, daß sie dem Gatten klaren Wein einschenken würden. Beweise hatten sie keine, und dem jungen Mann war dies nicht unbekannt, aber sie machten daraus auch gar kein Geheimnis; die Durchtriebenheit ihres Verfahrens und die Infamie der Berechnung bestanden in diesem Fall allein in der Annahme, daß der von ihnen aufgeklärte Gatte auch ohne alle Beweise ebenso handeln und eben dieselben Schritte unternehmen würde, als wenn man ihm mathematische Beweise vorgelegt hätte.
    Sie setzten in diesem Fall auf die minutiöse Kenntnis des Charakters dieses Mannes und auf die Kenntnis seiner Familienverhältnisse. Die Hauptsache war, daß zu dieser Bande auch ein junger Mann aus besten Kreisen gehörte, dem es gelungen war, sich das nötige Wissen im voraus zu verschaffen. Den Liebhaber erleichterten sie um eine recht ansehnliche Summe, und zwar ohne jede Gefahr für sich selbst, weil ihr Opfer von sich aus den größten Wert auf Geheimhaltung legte.
    Lambert machte gelegentlich mit, gehörte aber jener Moskauer Bande nicht regelrecht an; als er auf den Geschmack gekommen war, begann er nach und nach, gleichsam probeweise, auf eigene Faust zu handeln. Es sei vorab gesagt: Er war dafür nicht sonderlich geeignet. Er war keineswegs dumm, und er war berechnend, aber hitzig und darüber hinaus unerfahren oder, besser gesagt, naiv, das heißt, er kannte sich weder in Menschen noch in der Gesellschaft aus. Zum Beispiel sah er, glaube ich, keineswegs die Bedeutung jenes Moskauer Chefs und wiegte sich in dem Glauben, daß solche Unternehmungen sich sehr leicht dirigieren und organisieren lassen. Und schließlich ging er davon aus, daß alle ebensolche Schurken seien wie er selbst. Oder, wenn er sich einmal eingebildet hatte, daß irgendein Mensch sich fürchte oder sich fürchten müsse, aus dem und jenem Grund, hatte er nicht den geringsten Zweifel, daß dieser Mensch sich wirklich fürchtete, es war für ihn gleichsam ein Axiom. Ich kann es nicht richtig ausdrücken; in der Folge werde ich es durch Fakten deutlicher machen, aber jedenfalls war er meiner Meinung nach ziemlich undifferenziert, und nicht genug damit, daß er an manche guten

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