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Ein grüner Junge: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Ein grüner Junge: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Ein grüner Junge: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor M. Dostojewskij
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nicht umhin, mein Junge, meinen Adel hochzuhalten. Du lachst, glaube ich?«
    »Nein, ich lache nicht«, sagte ich mit unsicherer Stimme, »ich lache ganz und gar nicht: Sie haben mein Herz mit Ihrer Vision des goldenen Zeitalters erschüttert, und seien Sie versichert, daß ich Sie langsam verstehe. Aber am meisten freut es mich, daß Sie sich selbst so sehr achten. Ich muß Ihnen das sofort sagen. Das habe ich von Ihnen niemals erwartet!«
    »Ich habe dir schon gesagt, daß ich deine Ausrufe liebe, mein Junge.« Er lächelte wiederum über meinen naiven Ausruf, erhob sich aus seinem Sessel und begann eine Wanderung durch das Zimmer, ohne sich dessen bewußt zu sein. Ich erhob mich ebenfalls. Er fuhr fort in seiner sonderbaren Sprache, aber zutiefst von einem Gedanken erfüllt.
    III
    »Ja, mein Junge, ich muß dir wiederholen, daß ich nicht umhin kann, meinen Adel hochzuachten. Bei uns entstand im Laufe der Jahrhunderte ein bis dahin noch nirgends aufgetretener Kulturtypus, den es nirgendwo auf der ganzen Welt gibt – der Typus des allweltlichen Leidens für alle. Ein russischer Typus, und da er in der höchsten Kulturschicht des russischen Volkes entstanden ist, habe ich die Ehre, ihm anzugehören. In ihm ist die Zukunft Rußlands beschlossen. Wir sind vielleicht nur eintausend Menschen – vielleicht einige mehr, vielleicht einige weniger –, aber ganz Rußland hat bis jetzt nur dafür gelebt, um dieses Tausend hervorzubringen. Man könnte sagen – das ist zuwenig, man könnte sich entrüsten, daß für diese tausend Menschen so viele Jahrhunderte und so viele Millionen Menschen verschwendet worden sind. Meiner Meinung nach ist es nicht zuwenig.«
    Ich hörte gespannt zu. Eine Überzeugung trat hier zutage, die Ausrichtung eines ganzen Lebens. Wie deutlich verrieten ihn diese »Tausend Menschen«! Ich fühlte, daß sein expansiver Umgang mit mir irgendeiner inneren Erschütterung entspringen mußte. Er hielt vor mir all diese glühenden Reden aus lauter Liebe zu mir; aber die Ursache, warum er plötzlich zu reden begann und warum er den Wunsch hatte, seine Worte gerade an mich zu richten, blieb mir noch immer unbekannt.
    »Ich emigrierte«, fuhr er fort, »und ließ nichts hinter mir zurück, was ich bedauert hätte. Alles, was in meinen Kräften stand, hatte ich damals für Rußland getan, solange ich lebte; als ich es verließ, diente ich ihm weiter, nur in einem größeren Ideenradius. Aber indem ich ihm auf diese Weise diente, erwies ich ihm einen weit größeren Dienst, als wenn ich bloß Russe gewesen wäre, analog dem Franzosen, der damals bloß Franzose, und dem Deutschen, der bloß Deutscher war. In Europa kann man das einstweilen noch nicht verstehen. Europa hat die edlen Typen des Franzosen, Engländers und Deutschen geschaffen, aber über seinen künftigen Menschen macht es sich noch so gut wie keine Gedanken und möchte sich, wie es scheint, auch vorläufig keine Gedanken machen. Verständlicherweise, denn sie sind unfrei, und wir sind frei. Ich war der einzige in Europa, der damals samt seiner russischen Schwermut frei war. Merke dir etwas Eigentümliches, mein Freund: Jeder Franzose vermag nicht nur seinem Frankreich, sondern auch der Menschheit zu dienen, aber einzig und allein unter der Bedingung, daß er Franzose bleibt; ebenso der Engländer und der Deutsche. Allein dem Russen eignet in unserer Zeit schon, das heißt wesentlich früher, als das allgemeine Fazit gezogen werden wird, die Fähigkeit, erst dann möglichst russisch zu sein, wenn er soweit wie möglich Europäer ist. Und das ist unser wesentlichstes nationales Merkmal, das uns von allen anderen unterscheidet und einmalig ist. Ich bin in Frankreich – Franzose, mit einem Deutschen – Deutscher, mit einem alten Griechen – Grieche und gerade dadurch erst wirklich Russe. Gerade dadurch bin ich echter Russe und erweise Rußland den höchsten Dienst, denn ich repräsentiere seinen Hauptgedanken. Ich bin ein Pionier dieses Hauptgedankens. Ich bin damals emigriert, aber habe ich Rußland etwa verlassen? Nein, ich habe ihm weiter gedient. Und wenn ich in Europa nichts ausgerichtet habe, und wenn ich mich nur zu Streifzügen dorthin aufgemacht habe (ich wußte ja, daß es bei Streifzügen bleiben würde), so war es schon genug, daß ich mit meinem Gedanken und mit meinem Bewußtsein gefahren bin. Ich brachte meine russische Schwermut mit. Oh, es war nicht das Blut allein, das mich damals so erschreckte, und nicht einmal die

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