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Ein grüner Junge: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Ein grüner Junge: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)

Titel: Ein grüner Junge: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodor M. Dostojewskij
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Müßiggang, das absolute Nichtstun; das ist sein Ideal! Ich habe einen solchen ewigen Arbeiter gekannt, auch wenn er kein Mann aus dem Volk war, er war ziemlich gebildet und auch imstande zu verallgemeinern. Und der träumte sein Leben lang, vielleicht Tag für Tag, mit Lust und Rührung von nichts anderem als von einem vollkommenen Müßiggang und steigerte das Ideal sozusagen zum Absoluten – bis zur unendlichen Unabhängigkeit, bis zur ewigen Freiheit des Traums und tatenloser Kontemplation. Und so blieb es, bis er unter der Arbeit endgültig zusammenbrach; irreversibel; er starb im Krankenhaus. Ich neige gelegentlich allen Ernstes zu dem Schluß, daß die Lust an der Arbeit die Erfindung von Müßiggängern ist, selbstverständlich von den tugendhaften unter ihnen. Eine von den › Genfer Ideen ‹ des vorigen Jahrhunderts. Tatjana Pawlowna, vorgestern habe ich mir eine Zeitungsannonce herausgeschnitten, hier« (er zog ein Stück Papier aus der Westentasche) »von irgend jemand aus der Unzahl der ewigen ›Studenten‹, die sich in klassischen Sprachen und Mathematik auskennen und bereit sind, jedem Angebot zu folgen, nach auswärts, in eine Dachkammer oder sonstwohin. Hören Sie: ›Lehrerin bereitet für alle Lehranstalten vor‹ (hören Sie, für alle) ›und erteilt Arithmetikunterricht‹ – eine einzige Zeile, klassisch. Wenn sie schon für alle Lehranstalten vorbereitet – dann doch auch in Arithmetik? Nein, sie erwähnt die Arithmetik ausdrücklich. Das ist schon der nackte Hunger, das ist bereits die letzte Stufe der Not. Das Rührende ist gerade die Ungeschicklichkeit: Wahrscheinlich hat sie überhaupt keine Ausbildung als Lehrerin und ist kaum in der Lage, irgend etwas zu unterrichten. Aber dies ist doch der letzte Strohhalm, sie opfert den letzten Rubel für die Zeitung und läßt drucken, sie bereite für alle Lehranstalten vor und erteile darüber hinaus Arithmetikstunden. Per tutto mondo e in altri siti .«
    »Ach, Andrej Petrowitsch, der muß man helfen! Wo wohnt sie?« rief Tatjana Pawlowna.
    »Äh, davon gibt’s viele!« Er steckte die Adresse in die Tasche. »In dieser Tüte ist allerlei zum Naschen – für dich, Lisa, und für Sie, Tatjana Pawlowna; Sofja und ich, wir beide lieben keine Süßigkeiten. Und nach Wunsch auch für dich, junger Mann. Ich habe alles selbst gekauft, bei Jelissejew und Ballet . Wir haben zu lange ›Hungers gedarbt‹, wie Lukerja sagt.« (NB: Keiner von uns hat jemals gedarbt.) »Hier sind Trauben, Konfekt, Birne Duchesse und eine Erdbeertorte; ich habe sogar einen vorzüglichen Likör mitgebracht; auch Nüsse. Komisch, daß ich von meiner Kindheit an bis heute Nüsse gerne mag, wissen Sie, Tatjana Pawlowna, die ganz einfachen. Lisa schlägt mir nach; auch sie knackt so gerne Nüsse, wie ein Eichhörnchen. Es gibt nichts Schöneres, Tatjana Pawlowna, als wenn man sich auf einmal, mitten in den Kindheitserinnerungen, für einen Augenblick in den Wald versetzt, tief ins Gesträuch, und eigenhändig Haselnüsse pflückt … Die Tage sind schon beinahe herbstlich, aber klar, manchmal schon recht frisch, man verliert sich im Dickicht, schweift durch den Wald, und es duftet nach Laub … Ich lese etwas wie Sympathie in Ihrem Blick, Arkadij Makarowitsch?«
    »Die ersten Jahre meiner Kindheit habe ich auch auf dem Land verbracht.«
    »Wie, du hast dich doch, glaube ich, in Moskau aufgehalten … wenn ich mich nicht täusche.«
    »Er hat damals bei Andronikows gelebt, in Moskau, als Sie dorthin kamen; aber bis dahin hat er sich bei Ihrer seligen Tante, bei Warwara Stepanowna, auf dem Land aufgehalten«, griff Tatjana Pawlowna ein.
    »Sofja, hier ist das Geld, heb es auf. Für die nächsten Tage versprach man mir fünftausend.«
    »Also ist für die Fürsten gar keine Hoffnung mehr?« fragte Tatjana Pawlowna.
    »Nicht die geringste, Tatjana Pawlowna.«
    »Ich habe immer mit Ihnen gefühlt, Andrej Petrowitsch, und mit allen Ihren Angehörigen, und war eine Freundin Ihres Hauses; aber wenn die Fürsten mir auch fremd sind, sie tun mir leid, bei Gott. Nehmen Sie mir das nicht übel, Andrej Petrowitsch.«
    »Ich habe nicht die Absicht zu teilen, Tatjana Pawlowna.«
    »Natürlich, Sie kennen meine Meinung, Andrej Petrowitsch, die hätten ihre Klage zurückgezogen, wenn Sie ihnen gleich am Anfang vorgeschlagen hätten, Halbpart zu machen; jetzt ist es natürlich zu spät. Ein Urteil steht mir übrigens nicht zu … Ich sage das, weil der Verstorbene sie in seinem

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