Ein grüner Junge: Roman (Fischer Klassik PLUS) (German Edition)
Testament gewiß nicht übergangen hätte.«
»Er hätte sie nicht nur nicht übergangen, sondern ihnen gewiß alles hinterlassen, übergangen hätte er nur mich, wenn er sein Testament richtig vernünftig aufgesetzt hätte; jetzt aber ist das Gesetz auf meiner Seite – basta. Ich kann und will nicht teilen, Tatjana Pawlowna, damit ist alles gesagt.«
Das letzte brachte er sogar boshaft hervor, was er sich nur selten erlaubte. Tatjana Pawlowna verstummte. Meine Mutter schlug traurig die Augen nieder: Werssilow wußte, daß sie die Meinung Tatjana Pawlownas teilte.
“Dahinter steckt die Emser Ohrfeige!” – dachte ich im stillen. Dem Dokument in meiner Tasche, das Kraft mir ausgehändigt hatte, würde ein trauriges Los beschieden sein, wenn es ihm in die Hände fiele. Ich fühlte plötzlich, daß das alles mir im Nacken saß; und dieser Gedanke, in Verbindung mit allem übrigen, reizte mich bis aufs Blut.
»Arkadij, ich wünschte, du würdest dich besser kleiden, mein Freund; das, was du trägst, ist nicht schlecht, aber im Hinblick auf die Zukunft würde ich dir einen sehr guten Franzosen empfehlen, der über die Maßen gewissenhaft und geschmackvoll ist.«
»Ich bitte, solche Vorschläge künftig zu unterlassen«, entfuhr es mir plötzlich.
»Was ist denn?«
»Ich finde daran natürlich nichts Erniedrigendes, aber zwischen uns herrscht keineswegs eine solche Einstimmigkeit, sondern im Gegenteil sogar eine Unstimmigkeit, denn ich werde bald, morgen, nicht mehr zum Fürsten gehen, da ich dort nicht die geringste Beschäftigung für mich sehe …«
»Aber daß du hingehst, daß du mit ihm zusammensitzt, ist ja schon Beschäftigung!«
»Solche Gedanken sind erniedrigend.«
»Das verstehe ich nicht; übrigens, wenn du so heikel bist, brauchst du von ihm ja kein Geld zu nehmen und kannst einfach so hingehen. Du wirst ihn schrecklich betrüben; er hängt schon an dir, glaub mir … Übrigens, tu, was du willst …«
Das Gespräch war ihm offensichtlich unangenehm.
»Sie sagen, ich soll von ihm kein Geld nehmen, dabei habe ich Ihnen zu verdanken, daß ich heute eine Niedertracht begangen habe: Sie haben mich vorher nicht aufgeklärt, und ich habe heute mein Gehalt für diesen Monat von ihm gefordert.«
»Also, du hast das bereits arrangiert; ich habe, muß ich gestehen, gedacht, du würdest ihn nicht darauf ansprechen; wie geschickt ihr heute seid! Es gibt jetzt keine Jugend mehr, Tatjana Pawlowna.«
Er ärgerte sich fürchterlich; auch mich überkam ein fürchterlicher Zorn.
»Ich mußte doch hier von Ihnen loskommen … Sie haben mich doch dazu gezwungen – und jetzt weiß ich nicht, was ich tun soll.«
»Apropos, Sophie, gib Arkadij unverzüglich seine sechzig Rubel zurück; und du, mein Freund, darfst mir mein promptes Abrechnen nicht übelnehmen. Ich sehe es deinem Gesicht an, daß du irgendein Vorhaben im Kopf hast und daß du … flüssiges Kapital brauchst … oder etwas Ähnliches.«
»Ich weiß nicht, was mein Gesicht ausdrückt, aber ich habe von Mama nicht erwartet, daß sie Ihnen von diesem Geld erzählt, weil ich sie so gebeten hatte«, ich warf meiner Mutter einen funkelnden Blick zu. Ich kann nicht beschreiben, wie wütend ich war.
»Arkascha, mein Lieber, verzeih mir um Gottes willen, aber ich konnte nicht, ich mußte es sagen …«
»Mein Freund, mach ihr keinen Vorwurf, daß sie mich in deine Geheimnisse eingeweiht hat«, wandte er sich an mich, »zudem tat sie das mit den besten Absichten – eine Mutter hat doch den Wunsch, mit den Gefühlen ihres Sohnes zu renommieren. Aber glaube mir, ich hätte auch sowieso erraten, daß du ein Kapitalist bist. Deine sämtlichen Geheimnisse stehen auf deinem ehrlichen Gesicht geschrieben. Er hat ›seine Idee‹, Tatjana Pawlowna, das habe ich Ihnen doch schon gesagt.«
»Lassen wir mein ehrliches Gesicht«, fuhr ich aufgebracht fort, »ich weiß, daß Sie oft ein durchdringendes Auge haben … auch wenn Sie in anderen Fällen nicht weiter sehen, als ein Hühnerschnabel lang ist – und ich bewundere Ihren Scharfblick. Stimmt, ich habe ›meine Idee‹. Es ist natürlich Zufall, daß Sie sich so ausgedrückt haben, aber ich fürchte mich nicht zu gestehen: Ich habe eine ›Idee‹. Ich fürchte mich nicht, und ich schäme mich nicht.«
»Hauptsache, du schämst dich nicht.«
»Und trotzdem werde ich sie Ihnen niemals eröffnen.«
»Das heißt, du wirst mich einer Eröffnung nicht würdigen. Das muß auch nicht sein, mein
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