Ein guter Blick fürs Böse
mich so enttäuscht hatte, musste er wieder zurück. Er hatte Geschäfte in Paris, um die er sich kümmern musste. Er fuhr nach Frankreich und schlug vor, dass ich mitkomme, doch ich erklärte ihm, ich wäre fest entschlossen, Mr. Jonathan Tapley aufzusuchen und mit ihm zu reden. Ich wollte bleiben, so lange meine finanziellen Mittel es erlaubten. Er akzeptierte meine Entscheidung, aber er bat mich dringend darum, kein Geld mehr auf Leute wie diesen Jenkins zu verschwenden.«
»Und der Name dieses Gentlemans?«
Erneut ein unmerkliches Zögern. »Hector. Hector Mas. Ich kenne ihn seit vielen Jahren. Er kannte Thomas. Sie waren befreundet. Monsieur Mas war sofort bereit, mir bei der Suche nach meinem verschwundenen Mann zu helfen.«
In diesem Augenblick erklang draußen in der Halle ein Gong. Sie hob den Kopf und sah in die Richtung.
»Ich denke, ich sollte versuchen, ein wenig Suppe zu essen. Die Fleischpasteten, die sie hier servieren, sind einfach abscheulich!« Die Seide raschelte, und erneut stieg mir der Duft von Veilchen in die Nase.
Es war nicht zu übersehen – unsere Unterhaltung war für den Moment vorbei. Ich erhob mich.
»Ich danke Ihnen für Ihre Zeit, Madame. Wir werden uns wiedersehen. Ich hoffe doch, Sie werden diese Adresse nicht aufgeben? Falls doch, informieren Sie bitte Scotland Yard. Ich bitte Sie eindringlich, kehren Sie für den Augenblick nicht nach Frankreich zurück.«
»Ich muss hierbleiben«, erwiderte sie. »Ich habe rechtliche Angelegenheiten zu regeln. Mein verstorbener Ehemann hat kein Testament hinterlassen. Außerdem habe ich erfahren, dass ich eine Stieftochter habe.«
»Ihr Mann hat seine Tochter nie erwähnt?«
Sie schüttelte den Kopf. »Nicht ein einziges Mal. Wie ich inzwischen weiß, hat er sie als kleines Kind weggegeben, an seinen Cousin und dessen Frau. Sie betrachten sie als ihre eigene Tochter. Thomas hatte keine Verantwortung mehr für sie, und ich glaube, nach einer Weile sah er sie ebenfalls als Tochter seines Cousins und dessen Frau und nicht mehr als seine.« Sie nickte. »Ich werde sie heute Nachmittag kennenlernen. Und Mrs. Maria Tapley.«
»Tatsächlich?«, rief ich überrascht. Damit hatte ich nicht gerechnet.
»In der Tat, ja. Sie kommen hierher, um sich mit mir zu treffen.«
Oh, wie sehr ich mir wünschte, ich könnte eine Fliege an der Wand dieses schäbigen Salons sein, wenn diese Begegnung am Nachmittag stattfand!
Auf dem Weg nach draußen machte ich beim Empfang Halt. Wie Victorine geschildert hatte, gab es eine Korktafel neben dem Schalter, an die die unterschiedlichsten Karten und Zettel angeheftet waren. Ein Blick darauf verriet mir, dass sie nahezu ausnahmslos an die Besucher der Hauptstadt gerichtet waren, hauptsächlich billige Flugblätter mit Reklame für türkische Dampfbäder, Zigarrenstuben, Theater und dergleichen. Es gab sogar … oh, ja, da war sie ja. Eine kleine Karte, die für die Dienste von Horatio Jenkins warb, dem privaten Ermittlungsagenten.
Ich nahm die Karte herunter und zeigte sie der respekteinflößenden, in Bombazin gehüllten Frau, die den Zugang zum Hotel hinter ihrem Schalter bewachte. »Haben Sie vielleicht gesehen, wer diese Karte hier aufgehängt hat und wann?«, fragte ich.
Sie starrte die Karte an, als würde sie eine Krankheit übertragen. »Ich habe keine Ahnung! Die Anschläge ändern sich ständig! Ich könnte den Pagen fragen, aber ich bezweifle, dass er sich an irgendetwas erinnert. Möchten Sie mit dem Jungen reden?« Sie schlug auf eine Glocke auf dem Tresen.
Eine hagere Gestalt in einer schlecht sitzenden Pagenuniform erschien. »Dieser Gentleman hier hat eine Frage an dich«, informierte die Frau den Jungen und ließ mich mit ihm alleine.
Er war ein unscheinbarer Bursche, schmächtig und unterentwickelt mit krummen Zähnen und einem wissenden Blick. »Hallo«, sagte er. »Sie sind ein Bulle, darauf wette ich meine Messingknöpfe.«
»Lass mal deine Messingknöpfe stecken, wo sie sind«, erwiderte ich. »Diese Karte hier, mit der Werbung für die Detektivagentur, wann wurde sie aufgehängt?« Ich hielt ihm die Karte unter die Nase.
»Was ist dabei für mich drin?«, fragte der Jugendliche.
»Ich will dir etwas erklären«, sagte ich. »Ich bin in der Tat ein Gesetzesbeamter. Ich führe Ermittlungen durch, und wenn du Informationen zurückhältst, steckst du in großen Schwierigkeiten.«
»Ich habe doch gar keine Informationen!«, jammerte der Page erschrocken. »Was für Informationen
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