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Ein guter Blick fürs Böse

Ein guter Blick fürs Böse

Titel: Ein guter Blick fürs Böse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Granger
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anderen Grund? Das ist es, was wir herausfinden müssen.«
    Tapley stieß ein trockenes Kichern aus. »Ich sagte bereits, Sie sind in der falschen Branche, Ross. Sie hätten Anwalt werden sollen.« Er beugte sich vor, ein Glänzen in den Augen. »Ich glaube – und ich sehe Ihnen an, dass Sie den gleichen Verdacht hegen –, dass Tom um sein Leben gefürchtet hat, als er aus Frankreich zurück nach England geflohen ist.«
    »Bis jetzt deutet nichts darauf hin, Mr. Tapley. Und sollte es der Fall sein, müssen wir es beweisen, was schwierig sein könnte. Es ist ein großer Unterschied, ob man seinen Partner nicht mehr liebt oder sich die Ehe nicht so entwickelt wie erhofft und ob man deswegen sein eheliches Heim verlässt oder ob man bedroht wird und aus Angst um sein Leben flüchtet. Wir haben keinerlei Beweise für Letzteres. Nichts. Madame Victorine Tapley geborene Guillaume ist möglicherweise völlig unschuldig.«
    »Ich hege keine derart nachsichtigen Gedanken ihr gegenüber, Inspector. Sie hat etwas mit Toms Tod zu tun, und ich möchte, dass Sie ihre Schuld beweisen!« Ein wölfischer Glanz kam in seine Augen. »Und wenn sie in irgendeiner Weise schuld ist an seinem Tod, sei es als treibende Kraft oder als Gehilfin, darf sie selbstverständlich nicht von seinem Tod profitieren. Ihre Ansprüche auf das Erbe sind in diesem Fall nichtig.« Er erhob sich. »Ich muss jetzt gehen. Wir sprechen uns wieder, Inspector. Ich wünsche Ihnen einen guten Tag, Sir.«
    »Er will Victorine schuldig sehen«, sagte ich später zu Dunn, als ich über meine Unterhaltung mit Jonathan Tapley Bericht erstattete. »Weil sie dann keinen Anspruch mehr auf das Erbe seines Cousins hat. Wir müssen bei den Ermittlungen berücksichtigen, dass sein Verlangen, ihre Schuld zu beweisen, größer ist als sein Wunsch nach Gerechtigkeit. Auf der anderen Seite haben wir es hier mit Mord zu tun, und ihr Name steht selbstverständlich auf der Liste der Verdächtigen.
    Das wär’s bis hierher, Sir. Ich schließe weder Tapley noch seine Frau als Täter aus. Beide zeigen sich sehr entschieden in ihren Bemühungen, die Interessen von Miss Flora zu schützen, und zwar auch schon, bevor sie von der Existenz dieser französischen Ehefrau des Verstorbenen wussten. Thomas hatte sein Versprechen gebrochen, nie wieder nach England zurückzukehren. Er war zu einer Gefahr geworden. Von dem Augenblick an, als Jonathan und Maria Tapley von Fred Thorpe erfuhren, dass Thomas wieder in England war, lebten sie in Angst davor, er könnte vor ihrer Haustür auftauchen.«
    »Wir müssen vorsichtig sein«, sagte Dunn. »Jonathan Tapley ist ein Mann mit großem Einfluss. Was gedenken Sie als Nächstes zu unternehmen, Ross?«
    »Ich werde Victorine Tapley geborene Guillaume einen Besuch in ihrem Hotel abstatten und sie erneut befragen. Ich glaube nicht, dass Thomas, wie sie uns einzureden versucht, über seine Krankheit vergessen hat, dass er verheiratet war. Wenn er verängstigt und nervös nach Harrogate und zu Fred Thorpe kam, dann gab es einen Grund dafür. Ich stimme mit Jonathan Tapley überein, dass Victorine eine Menge Details über das Vermögen ihres Mannes weiß und dass Thomas absichtlich kein Testament aufgesetzt hat, das sie einschließt. Irgendetwas stimmt hier nicht, das spüre ich in den Knochen.«
    »Viel Glück, Ross«, sagte Dunn.
    »Danke, Sir.«
    Es war kurz nach Mittag, als ich vor dem kleinen Hotel eintraf, in dem Victorine Tapley geborene Guillaume abgestiegen war. Der Geruch nach garendem Gemüse erfüllte die Luft. Auf meine Bitte hin wurde eine Dienstmagd nach oben geschickt, um die Lady zu holen.
    Ich wartete in der Lobby am Fuß der Treppe. Als Victorine am oberen Treppenabsatz erschien, war ich im ersten Moment so verblüfft, dass ich einen Schritt zurückwich. Sie trug ein vollständiges Trauergewand einschließlich schwarzem Flor. Der einzige nicht tiefschwarze Gegenstand war eine weiße Witwenhaube mit baumelnden Bändchen um die Ohren. Ihr Haar war genauso kunstvoll hochgesteckt wie am Tag zuvor, ein dickes Nest pechschwarzer, glänzender Locken, die sich um ihren Kopf wanden. Der Gesamteindruck war genauso dramatisch wie attraktiv. Als sie sich die Treppe herunter in Bewegung setzte, kam mir eine Idee. Sie war zwar verblüffend, doch nicht auszuschließen. Trug die Lady möglicherweise eine Perücke? War Victorine vielleicht ein ganzes Stück älter, als sie zu sein vorgab?
    Ich plapperte eine Entschuldigung, weil ich so kurz vor der

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