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Ein guter Blick fürs Böse

Ein guter Blick fürs Böse

Titel: Ein guter Blick fürs Böse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Granger
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Weise erkennen, wie sie sie angesehen haben. Denken Sie nur, wie schrecklich es sein muss, in einer fremden Stadt zu sein und nicht einen einzigen Freund in der Nähe zu haben!«
    »Flora, meine Liebe«, sagte ich entschieden. »Sie haben wahrscheinlich Recht. Von niemandem gemocht zu werden muss in gesellschaftlicher Hinsicht recht schwierig sein für Mrs. Victorine Tapley. Aber es sind ihre Schwierigkeiten, nicht Ihre. Sie haben ein mitfühlendes Herz. Lassen Sie sich nicht von ihm täuschen. Niemand verlangt von Ihnen, dass Sie allein alle Rechnungen begleichen.«
    »Sehen Sie?«, fragte Flora mit traurigem Lächeln. »Selbst Sie mögen Victorine nicht, und ich glaube nicht, dass Sie sie schon kennengelernt haben!«
    Sie sprach ihre Worte mit solch kindlicher Spontaneität, dass ich keinerlei Sarkasmus darin erkennen konnte.
    »Also schön, ich nehme das zurück«, sagte ich zerknirscht. »Ich sollte die Lady nicht verurteilen. Ich bin ihr tatsächlich noch nie begegnet. Lassen Sie mich das, was ich sagen möchte, auf andere Weise sagen. Wenn jemand von keinem gemocht wird, dann liegt es vielleicht daran, dass er keine besonders nette Person ist.«
    »Wir wissen nicht, ob sie keine nette Person ist!«, warf Flora ein. »Sie hat uns erzählt, wie sie meinen Vater gepflegt hat, als er krank gewesen ist. Hinterher war er sehr verwirrt, hat sie erzählt, und verdächtigte alles und jeden, sich gegen ihn verschworen zu haben. Dann verschwand er aus ihrem Haus in einem Vorort von Paris, und seither hat sie ihn gesucht. Bedenken Sie nur, wie viele Sorgen sie sich gemacht haben muss! Und jetzt findet sie heraus, dass er tot ist. Es ist alles so traurig, Mrs. Ross, so furchtbar traurig. Wie kann man da kein Mitleid mit ihr haben?«
    Was konnte ich sagen? Ich entschied mich zu schweigen, und das sieht mir ganz und gar nicht ähnlich, wie Ben Ihnen sicherlich sofort bestätigen würde.
    Flora wurde lebhafter und fuhr beinahe geschäftsmäßig fort: »Die Bestattung meines Vaters wurde zwischenzeitlich arrangiert. Der Gottesdienst findet in der Gemeindekirche St. Marylebone statt, am oberen Ende der High Street. Also gehen Sie nicht irrtümlich zur St. Marys Church in Wyndham Place, auch wenn das näher bei unserem Haus liegt. Onkel Jonathan und Tante Maria haben in St. Marylebone geheiratet, und wir sind immer zum Gottesdienst dort. Nach der Messe begeben wir uns mit dem Sarg zur Brookwood Necropolis Eisenbahnstation und fahren mit dem Zug als Trauergesellschaft von London nach Surrey, wo mein Vater auf dem großen Friedhof beerdigt wird. Onkel Jonathan und Tante Maria haben ein Grab gekauft, und derzeit werden die letzten Arrangements getroffen. Ich hoffe sehr, dass Sie und Inspector Ross zur Beerdigung kommen?«
    »Selbstverständlich«, sagte ich.
    »Ich schicke Ihnen eine ordentliche Einladung.« Flora nahm meine Hand. »Meine liebe Mrs. Ross, ich bin Ihnen ja so dankbar, dass Sie hergekommen sind und mir zugehört haben! Ich schätze Ihre Unterstützung sehr. Ich muss jetzt zurück ins Haus. Wir sehen uns auf der Beerdigung.«
    »Was hältst du davon?«, fragte ich Ben am Abend.
    Er hatte mir aufmerksam zugehört, und sein Gesichtsausdruck war von Minute zu Minute ernster geworden. »Die Sache gefällt mir nicht, Lizzie. Sie gefällt mir kein Stück«, sagte er schließlich. »Sieh mal, wenn Floras freundliche Natur sie tatsächlich großzügig gegenüber ihrer Stiefmutter stimmt, dann hat Victorine das sofort gespürt. Von ihrem Standpunkt aus betrachtet hat sie damit eine wertvolle Verbündete in der Angelegenheit des strittigen Nachlasses gefunden. Sie wird jeden Vorteil rücksichtslos ausnutzen, so viel steht fest. Andererseits ist Jonathan Tapley Floras Beschützer, und ihn wird Victorine nicht so leicht über den Tisch ziehen. Er ist ein unerbittlicher Gegner.
    Aber sie hat noch ein weiteres Problem. Jonathan Tapley wird all sein Geschick benutzen, um ihre Ansprüche infrage zu stellen, und die Angelegenheit erforderlichenfalls durch sämtliche Instanzen tragen. Wir alle wissen, wie langsam die Gerichte arbeiten. Es könnte Monate dauern, bis der Streit um das Erbe entschieden ist, vielleicht ein Jahr oder noch länger. Es wäre nicht das erste Mal! Und wenn es stimmt, dass Victorine nur über beschränkte Mittel verfügt, dann befindet sie sich in der Tat in einer sehr schwierigen Situation. Selbst der Aufenthalt in diesem billigen Hotel zehrt ihre Reserven auf, und sie muss möglicherweise nach Frankreich

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