Ein guter Blick fürs Böse
Bryanston Square auf den Kopf schlagen, Bessie.«
»Nicht, solange ich da bin und auf Sie aufpasse, Missus!«, deklarierte Bessie triumphierend und entkräftete meine Einwände endgültig.
Und so fuhren wir zusammen. Flora war bereits dort und wartete auf einer Bank. Genau wie Bessie auf mich aufpasste, wurde Flora Tapley von Biddy bewacht, die sich misstrauisch im Hintergrund hielt. Bessie ging prompt auf die Magd zu und verwickelte sie in eine angeregte Unterhaltung.
»Es ist sehr freundlich von Ihnen herzukommen, Mrs. Ross«, sagte Flora, indem sie sich erhob, um mich zu begrüßen. »Ich nehme Ihre Zeit in Anspruch. Aber ich habe niemanden, mit dem ich reden könnte, mit Ausnahme von Tante Maria, und ich kann ihr mein Herz nicht so ausschütten, wie ich glaube, dass ich es bei Ihnen kann. Ich hoffe, ich erscheine nicht anmaßend?«, schloss sie nervös.
»Kommen Sie, setzen wir uns«, lud ich sie ein. »Sie können mir alles erzählen, was Ihnen auf dem Herzen liegt. Machen Sie sich keine Gedanken wegen meiner Zeit. Ich bleibe hier, so lange Sie möchten.«
»Ich kann leider nicht so lange bleiben.« Flora lächelte tapfer. »Oder Biddy rennt ins Haus und verpetzt mich bei Tante Maria. Der Inspector hat Ihnen sicher erzählt, dass eine französische Lady zu Onkel Jonathan gekommen ist und ihn informiert hat, dass sie die Witwe meines armen Vaters ist?«
Ich nickte. »Ja. Sie ging zum Scotland Yard, um dort ihre Heiratsurkunde vorzulegen, glaube ich. Wenn ich richtig informiert bin, wird sie zurzeit von der Polizei überprüft, aber die Polizei denkt, es besteht nur wenig Zweifel an ihrer Echtheit.«
»Tante Maria und Onkel Jonathan regen sich ganz furchtbar darüber auf«, sagte Flora mit einem schiefen Lächeln. »Es kommt daher, dass mein Vater kein gültiges Testament hinterlassen hat. Er hatte zwar eins aufgesetzt, aber durch die Wiederheirat in Frankreich wurde es automatisch ungültig, und er hat kein neues verfasst.« Sie stockte. »Meine Tante Maria und ich waren gestern in dem Hotel, wo meine Stiefmutter wohnt. Wir haben mit ihr gesprochen.«
»Und was denken Sie von ihr?«, fragte ich einigermaßen taktlos.
»Tante Maria missbilligt sie. Sie sagte hinterher, dass Victorine – so heißt meine Stiefmutter – eine vulgäre Person wäre. Und wenn Tante Maria das von jemand anderem sagt, dann hat er keine Chance, jemals ihre Billigung zu gewinnen. Sie hat Onkel Jonathan außerdem gesagt, das Victorine ›schamlos‹ wäre. Onkel Jonathan kann ihren Namen kaum aussprechen, ohne vor Wut an die Decke zu gehen.«
»Und Sie?«, hakte ich nach. »Was denken Sie, Flora? Was halten Sie von Ihrer Stiefmutter?«
Floras Wangen röteten sich. »Sehen Sie, liebe Mrs. Ross, das ist genau der Grund, aus dem ich Sie gebeten habe zu kommen. Ich kann Ihnen gegenüber offen sein, und das kann ich den anderen gegenüber nicht. Ich fand meine Stiefmutter weder vulgär noch schamlos. Sie machte einen sehr gefassten Eindruck, gefasster, als Tante Maria oder ich erwartet hatten. Um die Wahrheit zu sagen, Victorine tat mir irgendwie sogar leid.«
Ich muss mein Erstaunen gezeigt haben, denn Flora streckte die Hand aus und legte sie mir auf den Arm.
»Niemand hat Mitgefühl für sie in ihrer Trauer. Tante Maria hat nicht ein einziges Wort des Beileids oder Trostes gesagt, und als ich mein Mitgefühl ausdrücken wollte, hat sie mich unterbrochen und mir signalisiert, den Mund zu halten! Ich denke, Victorine ist sehr einsam in diesem hässlichen Hotel. Es ist so ein beengtes Haus, nicht sonderlich sauber, und es riecht schrecklich nach Küche. Nicht appetitlich, aromatisch wie nach frisch gebackenem Kuchen, sondern widerlich, nach gekochtem Kohl und ähnlichen Sachen. Ich würde nicht dort wohnen wollen. Ich denke, Victorine hat nicht besonders viel Geld. Das ist ein Grund, warum ich glaube, dass Onkel Jonathan wenig nett ist, wenn er ihre Ansprüche auf einen Teil vom Nachlass meines Vaters bekämpft. Ich denke, es muss sehr unangenehm und schmerzvoll sein, zu wissen, dass niemand einen mag.«
»Vielleicht macht es ihr gar nicht so viel aus, wie es beispielsweise Ihnen oder mir ausmachen würde«, sagte ich einigermaßen schroff. »Falls es überhaupt zutrifft.«
»Oh, das tut es! Onkel Jonathan und Tante Maria mögen sie nicht. Ich denke, Ihr Ehemann und dieser andere Beamte in Zivil, dieser Superintendent Dunn, mögen sie ebenfalls nicht besonders. Die Leute im Hotel mögen sie nicht. Ich konnte es an der Art und
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