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Ein guter Blick fürs Böse

Ein guter Blick fürs Böse

Titel: Ein guter Blick fürs Böse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Granger
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ihn bestimmt.
    Wir hatten Victorine Guillaume um zwei Uhr nachmittags zum Yard bestellt. Ich wartete mit Dunn in seinem Büro. Die Tür zu meinem eigenen Büro, ein Stück weiter vorn im Gang gelegen, ließen wir offen stehen. Jeder, der zu Dunn wollte, musste daran vorbei.
    Und so wartete ich wenige Minuten vor dem vereinbarten Zeitpunkt nervös zusammen mit dem Superintendent. Schwere Schritte kündeten Constable Biddle an, der mit rotem Gesicht in der Tür auftauchte, um uns zu melden, dass »die Lady ist auf dem Weg nach oben, Mr. Ross, Sir … oh, und Mr. Dunn, Sir!«
    Als ihm bewusst wurde, dass er die Namen nicht entsprechend dem Dienstrang genannt hatte, lief er noch röter an.
    »Ja, ja, schon gut! Machen Sie, dass sie außer Sicht kommen, Junge!«, schnappte Dunn.
    Biddle zog sich hastig zurück. Er war kaum verschwunden, als leichtere Schritte unseren weiblichen Besuch ankündigten. Wir konnten sie durch die offene Tür von Dunns Büro durch den Gang in unsere Richtung kommen sehen, gekleidet in ihre Trauergarderobe. Sie hatte die offene Tür zu meinem Büro kaum passiert, als aus dem Innern eine dröhnende Stimme erklang.
    »Du meine Güte! Wenn das nicht Miss Guillaume ist! Was für ein ausgesprochenes Vergnügen, Sie wiederzusehen, Mademoiselle , und welch eine große Überraschung obendrein!«
    Victorine stieß ein leises Ächzen aus und wirbelte herum, als ein Gentleman in einem Tweedanzug aus meinem Büro kam, den Hut in der Hand, und sich auf militärische Art und Weise vor ihr verneigte.
    »Major Griffiths, Mademoiselle , Sie erinnern sich?«, stellte er sich vor. »Sie haben mich Ende vergangenen Jahres bei mir zu Hause besucht, in The Old Hall in der Nähe von Harrogate, zusammen mit Ihrem Bruder!«
    Sie mochte überrascht worden sein, doch sie war sich auch bewusst, dass Dunn und ich aus seinem Büro lauschten, und sie war nicht so töricht, alles abzustreiten. Eins musste man ihr lassen, die Schnelligkeit, mit der sie sich fing, war geradezu bewundernswert.
    »Wahrhaftig, Sie sind es, Major!«, sagte sie. »Darf ich fragen, was Sie hierher führt?«
    »Oh, das alles kommt ziemlich unerwartet für mich«, antwortete der Major unbekümmert. »Ich gestehe, dass ich dieser Tage nur noch selten nach London komme, doch heute Morgen bin ich angereist, um der Beerdigung meines Vermieters beizuwohnen, Mr. Thomas Tapley, die diese Woche stattfinden soll. Ich wollte die Gelegenheit gleich nutzen und mir für ein paar Tage meine alten Wirkungsstätten anzusehen, wenn Sie verstehen. Ich habe Tapley nie persönlich kennengelernt, aber ich wohne seit einer ganzen Reihe von Jahren in seinem Haus. Mein gesamtes Personal kennt die Familie. Es scheint nur recht und billig, wenn ich mein Gesicht zeige und dem Verstorbenen meinen Respekt erweise. Der arme Tapley. Er wurde ermordet, stellen Sie sich das vor! Deswegen bin ich hier bei Scotland Yard – ich wollte nachfragen, wie sie mit den Ermittlungen vorankommen.«
    Griffiths beugte sich zu ihr vor und fügte in vertraulichem Tonfall hinzu: »Abgesehen davon, meine liebe Mademoiselle Guillaume, war ich unglaublich neugierig darauf, den berühmten Scotland Yard zu sehen, was?«
    Gut gemacht, Major!, dachte ich, als ich aus Dunns Büro in den Gang trat und den beiden entgegenging.
    »Ah, Madame!«, begrüßte ich sie. »Dann kennen Sie also Major Griffiths? Diese Lady, Major, ist die Witwe Ihres Vermieters.«
    »Ach was, tatsächlich?«, erwiderte der Major und runzelte die Stirn. »Sie haben sich nicht als Mrs. Tapley vorgestellt, Ma’am, als Sie mich zusammen mit Ihrem Bruder besucht haben! Ich denke, es war ein Versäumnis von mir, Ihnen zum damaligen Zeitpunkt nicht mehr Gastfreundschaft anzubieten. Das hätte ich ganz bestimmt getan, hätte ich gewusst, wer Sie sind.«
    »Sie waren durchaus freundlich genug, Major, danke sehr«, erwiderte Victorine eisig. »Inspector Ross, ich habe einen Termin bei Superintendent Dunn. Wenn Sie mich bitte entschuldigen würden, Major Griffiths!«
    »War mir eine Freude, Sie wiederzusehen, Ma’am«, sagte Griffiths. »Eine große Freude!«
    Für Victorine war es unübersehbar keine Freude. Sie rauschte wortlos an Major Griffiths vorbei und in Dunns Büro.
    Ich wartete noch einige Sekunden, bevor ich ihr folgte. »Danke«, murmelte ich dem Major zu. »Ich hatte ein wenig Sorge, Sie würden sie nicht erkennen.«
    »Nun, sie war nicht in Schwarz gekleidet, als ich sie das letzte Mal gesehen habe«, räumte Griffiths ein.

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