Ein guter Blick fürs Böse
»Und ihre Haare hatten eine andere Farbe. Braunrot, glaube ich. Aber sie gehört nicht zu der Sorte Frau, die man schnell wieder vergisst. Ich habe sie sofort erkannt, als sie draußen vor Ihrem Büro vorbeikam.«
»Nochmals meinen herzlichen Dank dafür, dass Sie hier gewartet und sie identifiziert haben. Wenn Sie uns vielleicht noch ein klein wenig mehr von Ihrer Zeit schenken und ein schriftliches Protokoll des Inhalts unterzeichnen würden, dass Victorine Guillaume Sie in Harrogate aufgesucht hat und was sie von Ihnen wollte? Sergeant Morris wird sich um Sie kümmern. Und falls Sie zu Tapleys Beerdigung kommen, treffen wir uns dort wieder, Sir.«
»Ich denke, dass ich hingehen sollte«, wiederholte Griffiths. »Es ist das Richtige. Abgesehen davon würde es mich interessieren herauszufinden, wie es denn nun mit meinem Mietvertrag weitergeht. Vielleicht erfahre ich auf der Beerdigung mehr. Freut mich, wenn ich Ihnen helfen konnte, Inspector.«
Ich gesellte mich zu Dunn und Victorine Guillaume in Dunns Büro. Victorine saß auf dem gleichen Sessel wie vor einigen Tagen, als ich sie zum ersten Mal gesehen hatte. Ihre dunklen Augen funkelten wütend, während sie mich beim Eintreten beobachtete. Dunn schien erleichtert, mich zu sehen. Ich für meinen Teil jedoch war diesmal nicht bereit, mich für das Verhör einspannen zu lassen. Ich postierte mich neben der geschlossenen Tür und wartete schweigend ab.
»Ah, ja, Ross …«, murmelte Dunn. Dann richtete er sich auf, sah Victorine an und begann forsch: »Nun, Madame , bitte verzeihen Sie unsere kleine List, aber mir scheint, Sie waren uns gegenüber nicht ganz of–«
Weiter kam er nicht. Sie wandte ihren wütenden Blick von mir ab und richtete ihn auf Dunn, der sichtlich erblasste.
»Ich finde es sehr bedauerlich, Superintendent! Weder Sie noch der Inspector haben sich verhalten, wie es einem Gentleman geziemt!« Ihre dunklen Augen blitzten mich erneut an. »Das gilt insbesondere für Sie, Inspector Ross!«
»Ich fürchte, Madame , das liegt daran, dass ich nur ein einfacher Polizeibeamter bin. Ich habe nie behauptet, ein Gentleman zu sein.«
»Und trotzdem!«, sagte sie eisig.
»Hören Sie, Madame …«, rang Dunn um die Kontrolle über das Verhör. »Sie waren uns gegenüber nicht offen, und das wissen Sie. Sie können uns unseren kleinen Trick nicht verdenken. Es handelt sich hier immerhin um eine Ermittlung in einem Mordfall. Sie hätten uns keine Informationen gleich welcher Art vorenthalten dürfen. Sie hätten uns sagen müssen, dass Sie auf der Suche nach Ihrem Mann bis nach Harrogate gefahren sind und dass Sie nicht alleine waren! Sie haben sich in The Old Hall unter falschem Namen vorgestellt, Madame. Wir würden gerne den Grund dafür erfahren.«
»Pah!« Sie warf entrüstet die Hände hoch. »Ich behalte keine Geheimnisse für mich! Ich wusste einfach nicht, dass Sie all das von mir wissen wollten! Das ist ein Missverständnis, weiter nichts. Warum sollte mein Besuch in Harrogate von Interesse für Sie sein? Mein armer Ehemann war nicht dort, sondern lebte, wie ich heute weiß, hier in London! Er wurde hier in London ermordet! Es gibt keine Verbindung zu Harrogate, außer dass es eine unnötige und kostspielige Reise für mich war! Was interessiert Sie das alles überhaupt? Im Übrigen, ich bin es nicht gewöhnt, von der Polizei verhört zu werden.«
Oh, doch, das bist du!, dachte ich, doch das sagte ich nicht laut. Du wärst ein ganzes Stück nervöser, wenn du noch nie von einer offiziellen Seite verhört worden wärest! Unschuld verhält sich, als wäre sie schuldig, aber die Schuld präsentiert sich weiß wie der frisch gefallene Schnee, das ist meine Erfahrung! Ich frage mich, wie du das Geld verdient hast, um dir dein Gasthaus in Montmartre zu kaufen?
»Sie haben einen falschen Namen genannt, Madame …«, begann Dunn. Er musste ziemlich aufgeregt sein – ein so elementarer Fehler unterlief ihm nicht jeden Tag.
Sie sprang sofort darauf an. »Nichts dergleichen! Ich habe meinen Mädchennamen genannt, Guillaume!«
»Der Gentleman in Ihrer Begleitung nannte den gleichen Namen«, beharrte Dunn wie ein Terrier, der nicht lockerließ. Sie versuchte alles, ihn abzuschütteln, doch er hatte sie gepackt.
»Wenn Sie mir gestatten, das zu erklären, Superintendent!«
Wir warteten. Victorine beruhigte sich ein wenig. Sie verschränkte die Hände im Schoß. »Ich habe Inspector Ross hier …«, ein böser Blick zu mir. »Ich habe
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