Ein guter Blick fürs Böse
Schließlich erschien er wieder am oberen Absatz und kam die Treppe herunter.
»Ich bewache das Haus, Ma’am, bis die Kollegen vom Yard hier sind«, verkündete er. »Sie gehen besser und setzen sich mit der anderen Lady in den Salon.«
In diesem Moment ertönte aus dem hinteren Teil des Hauses lautes Geklapper, und Stimmen waren zu hören.
»Einbrecher!«, rief Constable Butcher, indem er seinen Schlagstock packte und Anstalten machte, sich Ihnen entgegenzustellen.
Ich bekam seinen Ärmel zu fassen, als er davonstürzen wollte. »Das wird lediglich das Dienstmädchen sein, das zu uns geschickt wurde, um uns zu informieren. Möglicherweise hat unser Mädchen es begleitet.«
»Das werden wir gleich sehen, Ma’am!«, sagte Constable Butcher. »Bis ich mich selbst überzeugt habe, könnte es sich auch um Eindringlinge handeln! Dort oben liegt ein Toter, voller Blut und schrecklich anzusehen, und der Übeltäter könnte sich noch immer im Haus befinden!«
Ich dachte bei mir – und hoffte inständig –, dass der Mörder das Haus längst verlassen hatte. Wenigstens hatte Constable Butcher Tapleys Tod von einem »Zwischenfall« zu einer Gewalttat hochgestuft, und das ohne jede Mithilfe des Coroners.
Er setzte sich in Bewegung, und ich eilte hinter ihm her. Mit Schwung stieß er die Tür auf, und tatsächlich, dort saßen Jenny und Bessie am Küchentisch. Als Butcher hereinplatzte, sprangen sie erschrocken hoch. Jenny schrie auf, und es schien, als könnte sie jeden Moment erneut zu schluchzen anfangen.
Ich schob mich an dem Constable vorbei in die Küche. »Ich hatte also Recht. Diese junge Frau ist das Dienstmädchen des Hauses, und die andere hier ist meine Magd«, sagte ich.
»Wenn Sie es sagen, Ma’am«, gab er widerstrebend nach. Er starrte die Mädchen böse an. »Wie seid ihr hereingekommen?«, fragte er.
»Durch die Hintertür!«, giftete Bessie zurück. »Was denken Sie denn? Wir gehen nicht durch den Vordereingang. Wir sind Dienermädchen.«
Butcher nahm irritiert die Hintertür in Augenschein. Ich nahm an, er überlegte, wie er Vorder- und Hintertür gleichermaßen bewachen konnte. Schließlich trottete er zur Hintertür und legte den Balken ein, der sie gegen unbefugten Zutritt von außerhalb sicherte. Dann ging er zum Küchenfenster und rüttelte am Riegel.
Erst dann wandte er sich zu uns dreien um. »Dieser Balken bleibt vor der Tür, bis ein Beamter ihn entfernt«, ordnete er an. »Sie kehren in den Salon zurück, Mrs. Ross, das ist das Beste, was Sie tun können. Und ihr beide hier …«, Butcher starrte die Mädchen misstrauisch an. »Ihr bleibt hier. Kommt nicht auf die Idee, den Balken vor der Tür anzurühren, nicht einmal, wenn der Erzengel Gabriel persönlich anklopft und Einlass erbittet. Ich für meinen Teil gehe jetzt sämtliche Fenster im Erdgeschoss überprüfen und bewache die Vordertür. Sollte jemand kommen, so werde ich aufmachen und sehen, was zu tun ist.«
Zu unserer großen Erleichterung stiefelte er los, um seine Ankündigung in die Tat umzusetzen.
»Wer ist denn dieser fette Klops?«, fragte Bessie empört.
»Es ist der für dieses Gebiet zuständige Constable.«
»Er ist hoffentlich nicht der ermittelnde Beamte, oder?«
»Ganz bestimmt nicht!«, antwortete ich. »Mach dir keine Sorgen. Inspector Ross regelt das. Wie fühlst du dich jetzt, Jenny?«
»Ganz furchtbar, Missus! Ich bin völlig durcheinander!«, antwortete das Mädchen weinerlich.
»Mach ihr noch einen Tee, Bessie. Jenny, die Beamten vom Scotland Yard werden mit dir reden wollen, also nimm dich zusammen.«
»Ich kann nicht noch mehr Tee trinken!«, protestierte Jenny. »Ich bin schon ganz aufgedunsen!«
»Dann bleib zumindest ruhig sitzen. Bessie, mach das Herdfeuer an, und bleib hier bei ihr.«
Ich kehrte zum Salon zurück und versicherte Mrs. Jameson, dass alles so weit unter Kontrolle war. In diesem Augenblick hörten wir Hufgeklapper und das Geräusch von Rädern. Erneut rannte ich zum Fenster. Draußen war eine geschlossene Droschke vorgefahren. Sie glänzte vor Nässe, genau wie der schwere Umhang des Kutschers. Zu meiner Erleichterung sprang Ben aus der Kutsche, gefolgt von zwei weiteren Männern. Der jüngere der beiden war Constable Biddle. Der andere war mir unbekannt, ein älterer Mann mit einem grauen Schnurrbart, der eine mir vertraut aussehende Tasche bei sich trug. Es war der Doktor, der gerufen worden war, um den Totenschein auszustellen und eine grobe Einschätzung vorzunehmen,
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