Ein guter Blick fürs Böse
ich, als die durchnässte Gestalt mit ausgebreiteten Armen und Beinen auf dem Bootsdeck unserer Barkasse lag. »Sie sind festgenommen.«
Die halb ertrunkene Gestalt rollte sich auf die Seite und spuckte gut zwei Liter dreckiges Flusswasser aus. Dann blickte sie zu mir auf und überschüttete mich mit einem weiteren Schwall, diesmal französischer Worte.
Ich verstehe kein Französisch, und ich bezweifle, dass Lizzies Sprachkenntnisse, wäre sie bei uns gewesen, die von Mas benutzten Worte einschlossen. Wie dem auch sei, ich verstand ihre Bedeutung auch so recht genau.
Es war spät, als ich an diesem Abend verschwitzt und erschöpft zu Hause ankam. Ich konnte es kaum abwarten, Lizzie von unserem Triumph zu berichten. Doch dazu kam es zunächst nicht. Zu meiner Überraschung war Lizzie nicht nur aufgeblieben, um auf mich zu warten, sondern sie hatte auch Besuch. Mrs. Jameson saß in unserem Wohnzimmer.
»Ich bin überrascht, Ma’am, Sie zu dieser späten Stunde hier zu sehen«, sagte ich. »Ich hoffe, es ist nicht schon wieder etwas passiert?«
Ohne auf ihre Antwort zu warten, fuhr ich eifrig fort: »Sie sollten wissen, dass wir ihn haben, Ma’am! Den Mann, der Ihren Untermieter ermordet hat. Er ist Franzose und sitzt immer noch nass vom Fluss am Scotland Yard in einer Zelle.«
Schnell dämmerte mir, dass diese Eröffnung nicht mit den überraschten, freudigen Lauten aufgenommen wurde, die ich mir eigentlich ausgemalt hatte. Ganz im Gegenteil. Ich sah, wie die beiden Frauen betretene Blicke wechselten. Meine Hochstimmung schwand.
»Was ist los?«, fragte ich.
»Ben«, begann Lizzie. »Wir freuen uns natürlich, dass ihr Hector Mas geschnappt habt und alles. Du musst sehr zufrieden sein, genau wie der Superintendent. Aber Mrs. Jameson hat hier auf dich gewartet, obwohl es bereits spät ist, weil sie dir etwas sehr Wichtiges sagen muss.«
Ich setzte mich in einen Sessel. Die Hitze vom Kaminfeuer trocknete bereits meine feuchte Kleidung. Ich nahm an, dass ich dampfte wie ein Rennpferd und wahrscheinlich abscheulich nach Fluss stank.
»Es ist nämlich so, Mr. Ross«, begann die Witwe Jameson verzagt. »Ich muss mich entschuldigen, Sir. Ich hätte es schon früher sagen sollen, aber es hat bis zur Beerdigung des armen Mr. Tapley gedauert, bevor mir klar wurde, dass sie es wahrscheinlich gerne erfahren würden. Ich hatte es beinahe vergessen, bis es mir heute siedend heiß wieder einfiel.«
»Ja?«, fragte ich aufmunternd. Mrs. Jameson wirkte sehr nervös.
»Ich war äußerst überrascht, als wir auf der Beerdigung waren, dort Mr. Tapleys Cousin zu treffen, Mr. Jonathan Tapley, und zu sehen, was für ein vornehmer, vermögender Gentleman er war – ist, heißt das. Ein so wunderbar geschnittener Mantel … ganz speziell der Mantel, verstehen Sie? Der Mantel und der Stock.«
»Ja …?«, wiederholte ich dumpf, während eine Ahnung in mir aufkeimte.
»Mir ist bewusst, dass Sie am Tag des Mordes gefragt haben, mich und Jenny ebenfalls, ob wir möglicherweise einen oder mehrere Fremde bemerkt hätten, die sich in der Nähe des Hauses herumgetrieben hätten … ich verneinte Ihre Frage, verstehen Sie, weil ich an verdächtig aussehende Gestalten dachte, Mordbuben, Halsabschneider, Schläger in abgerissenen Sachen … Ich hatte den Gentleman mit dem Gehstock völlig vergessen.«
Ich schloss für einen Moment die Augen. »Sprechen Sie weiter, Ma’am«, sagte ich.
»Es war am frühen Nachmittag – am Tag des Mordes, meine ich. Irgendwann nach drei Uhr. Normalerweise bin ich um diese Zeit nicht in meinem Salon, es sei denn, ich habe Besuch. Doch ich war dort, um etwas zu holen, das ich am Vorabend hatte liegen lassen. Eine Bewegung draußen auf der Straße, gerade so im Augenwinkel, weckte meine Aufmerksamkeit und veranlasste mich, den Blick zu heben und aus dem Fenster zu sehen. Ich sah einen Gentleman an meinem Haus vorbeigehen und einen Blick nach oben werfen, zum ersten Stock. Er war sehr vornehm gekleidet und hatte einen Gehstock dabei. Ein paar Augenblicke später kam er wieder vorbei. Ich kannte ihn nicht und dachte, vielleicht sucht er eine bestimmte Adresse. Als er kein drittes Mal vorbeikam, nahm ich an, dass er sie gefunden hatte. Er war ein äußerst respektabel aussehender Mann, eine Persönlichkeit, sehr würdevoll. Es dauerte bis zur Beerdigung und, um die Wahrheit zu sagen, bis zur Fahrt im Zug zum Friedhof in Brookwood, dass ich Mr. Jonathan Tapley aus der Nähe zu sehen bekam und zu
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