Ein guter Blick fürs Böse
nur noch klebriger machte. »Na ja, Sirs, ich weiß nicht, ob er hier ist.«
In diesem Moment hörte ich über mir das Klingeln einer sehr hellen Glocke von der Sorte, die mit einer Schnur betrieben wird, um Dienstpersonal zu rufen. Hinter mir stieß Morris ein wütendes Knurren aus.
»Wo ist er?«, schnappte ich. »Spielen Sie nicht auf Zeit, hören Sie? Das Gebäude ist umstellt, und wenn er hier ist, kann er nicht entkommen.«
Der Mann richtete sich auf und blickte zur Treppe, die neben der Bar nach oben führte. »Zweite Tür links.«
So vorsichtig wir auch gewesen waren, jemand hatte den Flüchtigen oben gewarnt. Die Glocke war wahrscheinlich ein verabredetes Alarmsignal und wurde betätigt, wann immer die Polizei das Lokal betrat. Ein kurzer Ruck an der Schnur von irgendjemandem unten im vollen Laden war alles, was dazu erforderlich war. Der Wirt konnte die Schnur mit dem Fuß betätigt haben, während wir durch den schmutzigen Lappen auf dem Tresen abgelenkt waren. Als Morris und ich den ersten Stock erreichten, sahen wir das Glöckchen an seiner Metallfeder immer noch leicht baumeln. Die zweite Tür links stand weit offen, und das Zimmer dahinter lag leer.
Wir stießen die restlichen Türen auf, während wir durch den Gang rannten. Hinter der ersten fanden wir einen Seemann, der so betrunken war, dass er halb bewusstlos auf dem schmuddeligen Bett lag und uns aus trüben Augen anstarrte. Wahrscheinlich war er nicht mehr imstande, uns klar zu sehen. Im nächsten Zimmer störten wir eine indignierte Prostituierte und ihren Kunden. Er war nicht unser Mann und verlangte aufgebracht zu erfahren, was wir uns dabei gedacht hatten, einfach so hereinzuplatzen. Ich ignorierte sein Gezeter, rannte zum Fenster, stieß es auf und rief meinen Männern unten zu: »Ist jemand rausgekommen?«
»Nein, Sir! Wir haben sämtliche Türen und Fenster im Auge!«, rief der Constable unten auf der Straße zurück.
Ich wandte mich ab und rannte nach draußen in den Gang, gefolgt von einem aufmunternden Schuh, den die Nutte mir hinterherwarf.
Morris stand bei einer schmalen Leiter, die nach oben in eine offene Luke führte. Er zeigte nach oben. »Er ist nicht nach unten, Sir! Er ist dort hinauf! Es muss so etwas wie einen Dachboden geben.«
Und tatsächlich, die Leiter führte nach oben auf einen niedrigen, langgestreckten Speicher. Reihen von Strohmatratzen verrieten, dass sich hier die billigsten Schlafplätze befanden. Zwei alte Männer starrten uns aus wässrigen Augen überrascht an. Wir waren wie Springteufel in der Luke aufgetaucht. Von Mas war nichts zu sehen, und es gab keine Möglichkeit, wo er sich hätte verstecken können.
»Er ist auf dem Dach, Sir!«, rief Morris und zeigte auf eine offene Dachluke. Noch während er dies sagte, hörten wir über unseren Köpfen das Scharren eines Fußes auf den Schindeln.
Wir rannten nach unten. Die Menge im Schankraum johlte verächtlich, als wir uns mittendurch drängten und nach draußen auf die Straße stürmten. Die nach oben gerichteten Köpfe und ausgestreckten Zeigefinger der Constables und der Kollegen von der River Police verrieten uns, wo unser Mann steckte. Hoch über uns und deutlich zu erkennen vor dem blauschwarzen Nachthimmel tastete sich eine schwarze Silhouette so vorsichtig wie ein Seiltänzer über das Dach voran.
»Mas!«, rief ich zu ihm hinauf. »Sie können nicht entkommen. Alles ist umstellt. Geben Sie auf!«
Statt einer Antwort sprang er in einem athletischen, eleganten Satz über den schmalen Zwischenraum zwischen diesem Dach und dem des nächsten Gebäudes auf der anderen Seite der Gasse. Bei seiner Landung lösten sich ein paar Schindeln, rutschten über die Schräge und zersprangen am Boden. Die dunkle Gestalt wankte und ruderte wild mit den Armen, und für einen Moment schien es, als würde sie hintenüberfallen. Unten bei uns hatte sich unterdessen eine Menschenmenge eingefunden, und alle hielten den Atem an.
»Er wird abstürzen! Er wird sich das Genick brechen!«, rief jemand. Eine Frau kreischte.
Doch Mas stürzte nicht ab. Er gewann sein Gleichgewicht zurück, beugte sich vor und ging auf alle viere. Dann huschte er wie die Ratte, die er war, über den Dachfirst zum anderen Ende und verschwand. Die Menge johlte.
Ich überlegte, dass Mas in seiner Jugend zur See gefahren war und gelernt hatte, bei jedem Wetter in die Takelage hinaufzusteigen. Er hatte keine Angst vor der Höhe.
Wir rannten ihm hinterher, und die Menge rannte hinter uns
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