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Ein guter Blick fürs Böse

Ein guter Blick fürs Böse

Titel: Ein guter Blick fürs Böse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Granger
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betreten durften. Bis die Polizei ihre Erlaubnis dazu gab, durfte nichts verändert werden.
    »Ich werde wohl später noch einmal wiederkommen und einen Kollegen mitbringen«, sagte ich zu den beiden. »Wir müssen die Räume noch einmal gründlich bei Tageslicht durchsuchen.«
    Die Zimmer erneut zu durchsuchen war alles, was wir für den Augenblick tun konnten. Abgesehen davon würde ich dafür sorgen, dass die Nachricht von dem Mord die Spätausgaben und Abendzeitungen erreichte. Mit ein wenig Glück meldete sich jemand, der Informationen hatte oder wenigstens die Identität unseres Mannes kannte. Wir konnten jedes kleinste bisschen Glück brauchen.
    Als ich an diesem Morgen zum Yard kam, wurde ich bereits von Morris erwartet. Superintendent Dunn hatte ihn über den Fall in Kenntnis gesetzt und aufgefordert, dass er mir bei den Ermittlungen helfen sollte. Gott sei Dank dafür, dachte ich bei mir. Auf meinem Schreibtisch fand ich außerdem Biddles fein säuberlich ausformulierten Bericht.
    »Schön«, sagte ich zu Morris. »Dieser Junge wird noch einmal ein guter Ermittler! Haben Sie das gelesen, Morris?«
    »Das habe ich, Mr. Ross«, erwiderte Morris düster. »Und ich habe den Eindruck, dass es eine ganz böse Geschichte ist, äußerst unvorteilhaft , wie Sie es nennen würden.«
    »Das kann man wohl sagen, Sergeant. Es gibt eine Menge Ungereimtheiten bezüglich des Verstorbenen. Darunter die Frage, wie es ihm immer wieder gelungen war, respektable Frauen so zu beschwatzen, dass sie ihm nicht nur Zimmer vermieteten, sondern im Fall der Witwe Jameson darüber hinaus sogar einen Haustürschlüssel anvertrauten, der ihm jederzeit freien Zugang verschaffte, und das mit nichts anderem als einem Empfehlungsschreiben seiner vorherigen Vermieterin. Er machte einen heruntergekommenen Eindruck. Er war eloquent, gebildet und wohlerzogen, doch er erschien quasi aus dem Nichts, auf eine Anzeige hin, die Mrs. Jameson nach eigener Aussage in der lokalen Presse aufgegeben hatte. Das könnte bedeuten, dass er bereits in der Nähe gewohnt hat – oder auch nicht!«
    »Klingt nach einem Schmeichler, wenn Sie mich fragen, Sir«, stellte Morris fest.
    »Wir können nicht sagen, ob er Ire, Waliser, Schotte oder Engländer war. Dieser respektablen Quäker-Witwe hat er erzählt, er hätte das Bedürfnis verspürt, nach London zurückzukehren, wo er früher viele Jahre gelebt hat. Das war alles, was er gesagt hat. Sie hat ihm ihr Vertrauen geschenkt. Doch das bedeutet nicht, dass wir ihm ebenso vertrauen sollten. Das umfasst auch seine scheinbar geregelten Verhältnisse. Er hat zu keiner Zeit versucht, sich Geld von ihr zu borgen, und hat auch nie um einen Zahlungsaufschub gebeten. Er hat ziemlich viel Geld in Bücher investiert, auch wenn die meisten davon aus zweiter Hand zu sein scheinen. Er ging jeden Morgen in ein Kaffeehaus frühstücken, obwohl seine Vermieterin ihm sicherlich gerne und ohne Aufpreis das Frühstück in ihrem Haus serviert hätte. Als Grund gab er an, dass er gerne die Zeitungen las. Abends aß er mit ihr zusammen.«
    »Worüber haben sie sich beim Essen unterhalten?«, fragte Morris.
    Wer Morris nicht kannte, neigte manchmal dazu, ihn zu unterschätzen. Das war ein Fehler, den schon viele Übeltäter bereut haben.
    »Ich weiß es nicht«, erwiderte ich. »Doch Sie haben Recht! Wenn er nichts über sich erzählt hat, worüber hat er dann geredet? Über Religion wohl nicht. Die Witwe ist zwar eine Quäkerin, doch in Tapleys Zimmern war keine Bibel zu finden und auch kein Gebetsbuch. Wir müssen sie fragen, Morris.«
    »Eine Quäkerin, sagen Sie? Quäker neigen dazu, immer nur das Gute in einem Menschen zu sehen.«
    »Die Witwe ist nicht blauäugig, Morris. Ich habe mit ihr gesprochen. Sie besitzt einen wachen Verstand. Das macht es umso bemerkenswerter, dass sie Tapley die beiden Zimmer vermietet hat.«
    »Was ich damit sagen wollte, Sir«, erklärte Morris, »ist, dass sie selbst gute Menschen sind und dass sie stolz darauf sind, das Gute auch in anderen zu sehen – obwohl Stolz in ihren Augen eigentlich eine Sünde ist. Vielleicht hat diese Quäker-Witwe ihm vertraut, weil sie etwas in ihm gesehen hat, was andere nicht finden konnten.«    
    »Hm. Also gut. Ich behalte Ihre Vermutung im Hinterkopf, Morris. Aber jetzt muss ich zu Superintendent Dunn und mir anhören, was er zu der Sache sagt.«
    Dunns Sicht der Dinge war vorhersehbar. Ich musste Sie nicht erst aus seinem Mund hören. Der Superintendent

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