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Ein guter Blick fürs Böse

Ein guter Blick fürs Böse

Titel: Ein guter Blick fürs Böse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Granger
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hielt den direkten Weg stets für den richtigen. Manchmal erwies es sich als schwierig, ihn von Schlussfolgerungen, zu denen er gelangt war, wieder abzubringen.
    »Zugegeben, es ist eine hässliche Angelegenheit, wenn ein achtbarer Mann in einem respektablen Haus ermordet wird, kurz bevor der Braten auf den Tisch kommt, mit einer Bibellesenden Lady, die unten im Salon wartet. Aus Sicht der Polizei hingegen ist die Sache ganz einfach, Ross. Ein Dieb hat sich Zugang verschafft, Tapley hat ihn aufgescheucht – oder er hat sich erschreckt, als er den lesenden Tapley vorfand. Der Täter geriet in Panik und schlug mit einem Gegenstand zu, den er zur Ausübung seines kriminellen Handwerks bei sich trug. Dabei hat er den armen alten Mann getötet«, beendete Dunn seine Ausführungen und setzte eine zufriedene Miene auf. Doch wir kannten einander gut genug, und so wartete er auf meine Einwände.
    »Es gab keine Anzeichen für einen Einbruch, Sir«, widersprach ich. »Keine eingeschlagene Scheibe.«
    Dunn wischte den Einwand beiseite. »Dann ist er durch die Küche hereingeschlichen, als das Dienstmädchen ihm den Rücken zugewandt hat. Er ist die Dienstbotenstiege hinauf …«, Dunn klopfte auf meine Skizze vom ersten Obergeschoss. »Er hat die Wendeltreppe benutzt, um in den ersten Stock zu kommen. Nach seinem verabscheuenswürdigen Angriff ist er auf dem gleichen Weg wieder verschwunden. Wir müssen unter den einschlägigen Londoner Kriminellen suchen, Ross! Erste Anlaufstelle: bekannte Einbrecher.«
    »Warum sollte er Tapley angreifen, wenn der völlig in sein Buch vertieft ist und nicht mitbekommt, wie sich hinter ihm die Tür öffnet, Sir? Es wäre unnötig und gelinde gesagt eine Tollheit. Es ist eine Sache, wegen Einbruchs angeklagt zu werden, aber eine völlig andere, wegen Mordes vor Gericht zu stehen. Heutzutage wird in diesem Land niemand mehr wegen Diebstahl gehängt, doch sehr wohl wegen Mord.«
    »Einbrecher sind keine besonders hellen Mitbürger, Ross. Sie planen ihren Einbruch und sonst nichts. Alles andere ist eine Folge ihrer niederen, gewalttätigen Instinkte.« Dunn nickte bekräftigend zu seinen eigenen Worten.
    Ich war nicht bereit aufzugeben. »Gewohnheitsmäßige Einbrecher agieren nachts oder im Morgengrauen, wenn sämtliche Bewohner schlafen, Sir. Ein Gelegenheitsdieb hingegen würde nicht ins erste Obergeschoss steigen, wo er möglicherweise in die Enge getrieben wird. Er lässt eine auf dem Tisch vergessene Geldbörse mitgehen, die linker Hand auf einem Tisch liegt, ein kleines wertvolles Schmuckstück, etwas in der Art, und macht sich auf dem schnellsten Wege wieder davon.«
    Dunn machte einen zunehmend verärgerten Eindruck. »Sie wollen also behaupten, der Täter hat das Haus einzig und allein in der Absicht betreten, diesen unbescholtenen sechzigjährigen Mann umzubringen, der seine Tage im Kaffeehaus und seine Abende mit Büchern verbrachte? Der allem Anschein nach über ein kleines Einkommen verfügte, das ihn davor bewahrte, seine goldene Uhr zu verkaufen oder zu verpfänden, jedoch auf der anderen Seite nicht ausreichte, um sich eine neue Garderobe zuzulegen, geschweige denn, dass es wert gewesen wäre, ihn auszurauben?«
    »Es hört sich merkwürdig an, Sir«, gab ich zu. »Trotzdem müssen wir die Möglichkeit in Betracht ziehen. Das Opfer, Thomas Tapley, ist eine mysteriöse Person. Wir wissen nichts über ihn, genauso wenig wie seine Vermieterin.«
    Dunn seufzte und gab missmutig nach. »Selbstverständlich werden Sie ermitteln und herausfinden, ob es tatsächlich vorsätzlicher Mord war. Ich stimme Ihnen zu, es ist eine seltsame Geschichte. Aber verschwenden Sie keine Zeit und Arbeitskraft, um nach Problemen zu suchen, wo keine sind, Ross. Hier am Scotland Yard fehlt es uns an beidem.«
    »Dessen bin ich mir bewusst, Sir.«
    »Diese Frau, diese Witwe, hätte nicht an ihn vermieten sollen«, fuhr der Superintendent verärgert fort und fuhr sich mit den Händen durch die widerborstigen Haare. »Das war sehr unklug von ihr. Es musste früher oder später Ärger geben, vielleicht nicht gerade einen Mord, aber irgendein anderes Problem. Sie wusste rein gar nichts über den Kerl! Was um alles auf der Welt hat sie nur bewogen, ihn bei sich aufzunehmen?«
    »Sergeant Morris denkt, dass sie möglicherweise einen guten Menschen in ihm sah«, warf ich ein.
    Dunn schnaubte. »Ich wünschte, ich bekäme jedes Mal eine Guinee, wenn eine betrogene Frau mir das erzählt! Das ist die

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