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Ein guter Blick fürs Böse

Ein guter Blick fürs Böse

Titel: Ein guter Blick fürs Böse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Granger
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ginge – oder einer anderen Bekannten –, sodass wir das Haus in Ruhe durchsuchen konnten.
    »Es ist besser, wenn Sie nicht dabei sind, Ma’am«, sagte ich zu ihr. »Es verschafft uns freie Hand bei der Durchsuchung der beiden Zimmer des Toten. Es würde Sie möglicherweise zu sehr aufregen. Doch ich bin froh, dass wir uns noch kurz unterhalten können. Hat Tapley bei den gemeinsamen Mahlzeiten viel von sich erzählt?«
    Widerstrebend wandte Mrs. Jameson den Blick vom Schlosser ab und sah mich an. »Oh, nun ja, das hat er nicht, Inspector. Da Sie es erwähnen, muss ich gestehen, dass er so gut wie gar nichts gesagt hat. Es lag mir natürlich auch fern zu bohren.«
    »Natürlich. Wenn ich fragen darf, worüber haben Sie sich unterhalten?«
    Sie blickte vage die Straße hinauf und hinunter, als gäbe es dort etwas, das ihre Erinnerung auffrischen könnte. »Er las die Zeitung, jeden Tag ohne Ausnahme. Er muss sie im Kaffeehaus gelesen haben oder in einer Bücherei, da er niemals eine mit nach Hause brachte. Es wäre mir oder Jenny aufgefallen. Sehen Sie, Inspector, ich erlaube keine Zeitungen in meinem Haus. Zeitungen sind voll mit allerlei unanständigen Berichten über Leute, die sich auf jede erdenkliche Art und Weise danebenbenehmen. Ich würde nicht wollen, dass ein junger Mensch wie Jenny eine Zeitung findet und darin liest. Einen jungen Menschen im Haus zu haben bedeutet eine große Verantwortung, Inspector. Sie machen vermutlich die gleiche Erfahrung mit Ihrer Magd.«
    Sie kannte Bessie nicht. Die Zeitungen aus unserem Haushalt zu verbannen hätte Bessie nicht davon abgehalten, den neuesten Tratsch zu hören, insbesondere die schockierenden Nachrichten. Dienstmädchen unterhielten eine Art eigenes Telegraphensystem, in dem sich Neuigkeiten wie ein Lauffeuer verbreiteten. Ohne Frage erhielt auch Jenny auf diese Art Informationen. Morris hatte Recht. Die Witwe hatte eine etwas unbedarfte Sicht auf die Welt. Jenny war um einiges wacher, was die Tücken des Lebens anging. Ich verwarf meine ohnehin nicht besonders wahrscheinliche Theorie, ein Verehrer Jennys könnte für den brutalen Mord verantwortlich sein.
    »Abends kam er zum Essen nach unten und berichtete mir von jedem aktuellen Ereignis, von dem er meinte, es könnte mich interessieren«, sagte Mrs. Jameson. »Vermutlich hätte ich nie erfahren, was in der Welt passiert, wenn der arme Mr. Tapley es mir nicht erzählt hätte. Womit ich nicht sagen möchte, dass er mir die grausigen Einzelheiten von irgendwelchen schrecklichen Morden erzählt hat …«
    Sie brach ab und sah mich untröstlich an. »Ach du meine Güte … jetzt wird die Presse über seine Ermordung berichten.«
    »Hat er Ihnen gegenüber auch von internationalen Angelegenheiten gesprochen? Oder über die Innenpolitik?« Ich versuchte beruhigend zu klingen. »Natürlich hat er von keinem Skandal berichtet.«
    »Ja, genau, das tat er! Tatsächlich ist mir durch ihn bewusst geworden, wie unglaublich ignorant ich mich seit dem Tod des armen Ernest verhalten habe. Mr. Tapley wird mir fehlen.« Sie wandte ihre Aufmerksamkeit wieder dem Schlosser zu. »Sind Sie fertig?«
    Ich dachte zuerst, ihre Äußerung würde sich darauf beziehen, ob ich mit der Befragung fertig war, doch dann erkannte ich, dass die Frage dem Schlosser galt.
    »Jawohl, Ma’am«, antwortete er. Es klang erleichtert.
    »Dann dürfen Sie gehen. Ich komme vorbei, um die Rechnung bei Ihrem Arbeitgeber zu begleichen.«
    Der Schlosser, ein kräftiger Bursche mit kurz geschorenen Haaren, packte sein Werkzeug zusammen und hob einen kleinen, schwer aussehenden Stoffsack auf.
    »Warten Sie!«, rief ich und zeigte auf den Sack. »Ist dies das alte Schloss?«
    »Das ist richtig, Sir … die Lady möchte es nicht. Mr. Pickles hat möglicherweise Verwendung dafür.«
    »Er arbeitet für Mr. Pickles«, erklärte die Witwe. »Mr. Pickles ist ein Mitglied unserer Gesellschaft.«
    »Gesellschaft?«, fragte ich.
    »Die Religiöse Gesellschaft der Freunde. Er ist ein Mitglied unserer Quäkergemeinde.«
    Ich nickte als Zeichen, dass ich verstanden hatte. »Wenn es Ihnen nichts ausmacht, so würde ich gerne das Schloss bis auf Weiteres an mich nehmen. Ich stelle Ihnen eine Quittung aus.«
    Sowohl Mrs. Jameson als auch der Schlosser blickten überrascht drein. »Was wollen Sie damit?«, fragte der Schlossergeselle.
    »Ich weiß es noch nicht«, entgegnete ich. »Doch dieses Haus war vergangene Nacht Schauplatz eines Mordes, und das Schloss

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