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Ein guter Blick fürs Böse

Ein guter Blick fürs Böse

Titel: Ein guter Blick fürs Böse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Granger
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Thorpe. »In London!«
    »Ah!«, erwiderte der Fahrer. »Wo sonst, wenn nicht in London. Hier in unserer Gegend wäre er bestimmt nicht ermordet worden.«
    Wir folgten seit einigen Minuten einer Steinmauer zu unserer Rechten. Nun hielten wir vor einem geschlossenen schmiedeeisernen Tor. Unser Fahrer kletterte vom Bock und zupfte an einer Glockenschnur an der Wand. Es läutete laut und misstönend, und das Echo brach sich um uns herum und verdrängte die Stille genauso brutal, wie ein Büchsenschuss es getan hätte. Als Antwort öffnete sich die Tür eines kleinen Pförtnerhauses, und ein stämmiger Bursche in Gamaschen und Moleskin-Weste kam zum Vorschein, der aussah wie ein Wildhüter. Er öffnete die beiden Torflügel, und wir klapperten hindurch.
    Der Torwächter/Wildhüter hob grüßend die Hand und starrte mich unfreundlich an, oder zumindest hatte ich den Eindruck. Sein Leben und sein Zuhause waren mit dem Tod des Hausbesitzers und dem nur noch zwei Jahre laufenden Vertrag auf einmal unsicher geworden – genau wie bei allen anderen, die in den Diensten des Majors standen. Der Pächter der Farm und seine Familie waren sicher genauso nervös. Ich musste damit rechnen, dass man mich als den Überbringer schlechter Nachrichten betrachtete.
    Bald darauf hatten wir das Haus erreicht. Es war ein massiver jakobinischer Bau von gleichmäßigen Proportionen mit Reihen identischer Fenster. Er stand bereits so lange hier, dass er sich in die Landschaft einfügte wie ein natürliches Objekt, und seine hohen, schlanken Schornsteine schienen aus dem moosbewachsenen Dach zu springen wie langhälsige Vögel, die die Köpfe gen Himmel reckten.
    »Das ist The Old Hall«, sagte Thorpe, während wir ausstiegen. »Es heißt so, weil die Familie, der es ursprünglich gehörte, um 1790 herum beschloss, ein neues, moderneres Haus zu bauen, The New Hall. The Old Hall kam durch Heirat in den Besitz der Tapley-Familie. Thomas Tapleys Mutter brachte es als Aussteuer mit.«
    »Eine hübsche Aussteuer«, beobachtete ich und musste an das denken, was Jonathan mir über seinen Onkel erzählt hatte, Thomas’ Vater, der reich geheiratet hatte. In diesem Haus also war Thomas Tapley aufgewachsen, behütet von seiner Mama und all den anderen hingebungsvollen weiblichen Verwandten. Ich betrat es mit wachem Interesse.
    Major Griffiths stellte sich als genauso massiv gebaut heraus wie das Haus. Er war ein Mann von über siebzig Jahren, doch mit der aufrechten Haltung des einstigen Soldaten und einer dichten Mähne silberner Haare.
    »Ich freue mich, Sie kennenzulernen, Inspector!«, begrüßte er mich. »Ich weiß es wirklich zu schätzen, dass Sie sich die Zeit genommen haben, nach hier draußen zu kommen. Hat Mr. Thorpe Ihnen erzählt, warum ich so begierig darauf bin, Sie zu sprechen?«
    »Äh … nein«, antwortete ich mit einem Seitenblick zu Thorpe.
    »Ich hielt es für das Beste, wenn Sie es dem Inspector selbst erklären, Major«, sagte der Anwalt. »Der Inspector wird sicherlich Fragen haben, und ich hätte sie nicht beantworten können.«
    »Ganz recht, ganz recht. Machen Sie es sich doch bequem, Gentlemen. Ich kann uns Tee bringen lassen oder ein Glas Madeira, falls Ihnen mehr danach ist.«
    Nach unserer Knochen durchschüttelnden Reise hierher entschieden wir uns dankbar für den Madeira. Er traf auf dem Tablett eines ältlichen Butlers ein, in Begleitung eines einfachen Kuchens.
    »Ich erkläre Ihnen alles, so schnell ich kann, Inspector«, begann Griffiths. »Ich vermute, dass Sie noch andere Dinge zu erledigen haben, bevor Sie nach London zurückkehren. Als Mr. Thorpe mir gestern eine Nachricht zukommen ließ und mich darüber informierte, dass Sie erwartet werden, schickte ich mit dem gleichen Boten eine Nachricht an ihn zurück, in der ich mein Anliegen offenkundig machte, dringend mit dem Inspector zu reden. Zumindest erscheint es mir dringend. Ich bin – oder war – der Mieter von Thomas Tapley, wie Sie sicher wissen. Mein Mietvertrag läuft noch für weitere zwei Jahre, es sei denn, der neue Besitzer möchte den Vertrag früher auflösen. Ich hoffe, dass wir zu einem Arrangement diesbezüglich kommen, Thorpe! Ich würde den Vertrag gerne bis zum Ende laufen lassen! In zwei Jahren bin ich dann gerne bereit auszuziehen und mich in eine Gegend mit milderem Klima zurückzuziehen. Ich habe eine Vorliebe für den Südwesten, die Gegend von Sidmouth, und möchte meine letzten Tage am Meer verbringen. Ich weiß, dass der

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