Ein guter Blick fürs Böse
Alter meines Vaters, zweiundsechzig. Ich sagte ihm, dass mein Vater es sicher bedauern würde, ihn nicht gesehen zu haben, und dass er sicherlich wünschen würde, ihn zu sehen, doch Tapley meinte, er könnte nicht bis zum Abend warten, geschweige denn am nächsten Tag noch einmal wiederkommen. Er musste zurück nach Süden. Ich weiß nicht, warum er so in Eile war. Er hat es mir nicht gesagt.
Ich fragte ihn, was ihn vom Kontinent zurück nach England gebracht hatte und ob er vorhatte zu bleiben. Er sagte, dass er sich jetzt in England niederlassen wollte. Er erwähnte etwas von einer ›schlimmen Erfahrung‹ in Frankreich vor nicht allzu langer Zeit. Das war einer der Gründe, warum er es so eilig hatte, eine Schachtel mit all seinen privaten Papieren bei uns zu deponieren, gleich nach seiner Rückkehr. ›Damit sie niemand in die Finger kriegt‹, sagte er. Ich wollte wissen, was denn passiert wäre, ob jemand hinter seinen Papieren her wäre, aber er wurde nur noch aufgeregter und sagte, er wüsste es nicht, er könnte es nicht mit Sicherheit sagen. Er wäre eine Zeit lang krank gewesen in Frankreich, sechs oder sieben Monate vorher. Er hätte zwei volle Wochen im Delirium gelegen und beinahe einen Monat mit dem Tod gerungen. Folglicherweise hatte er eine Lücke in seiner Erinnerung. Ich schätze, was auch immer es war, es muss irgendwann im Verlauf des vorletzten Jahres passiert sein, während seiner Krankheit.«
Im vorletzten Jahr, dachte ich. Später im vorletzten Jahr war er von diesem Mr. Parker am Strand von Deauville gesehen worden, mit einer geheimnisvollen Frau am Arm. Er hatte Parker erzählt, dass er krank gewesen war und an der Küste, um wieder zu Kräften zu kommen.
»Mr. Thorpe«, sagte ich laut. »Welcher Art sind die Dokumente, die Thomas Tapley Ihnen zur Verwahrung gebracht hat?«
»Zum einen ein Reisepass, ausgestellt vom Foreign Office, den sich auszustellen er die Voraussicht gehabt hat, bevor er England verließ. Er ist abgewetzt und in einem traurigen Zustand, ganz ähnlich dem armen alten Tapley. Als Privatperson ohne diplomatische Mission und ohne geschäftliche Interessen benötigte er ein solches Dokument genau genommen nicht. Doch er rechnete damit, dass offizielle Stellen gelegentlich solch ein Dokument verlangen, insbesondere beim Überschreiten von Landesgrenzen. Außerdem deponierte er die zahlreichen Empfehlungsschreiben, die er auf seinen Reisen mit sich geführt hatte. Sie sind inzwischen so veraltet, dass ich mir beim besten Willen nicht vorstellen kann, wem er sie noch zeigen wollte und wer sich davon hätte beeindrucken lassen. Dann gab es einen Beutel mit gemischter Korrespondenz, einige Briefe von uns, von denen wir selbstverständlich unsere eigenen Kopien besitzen, aber er wollte, dass wir auch die Originale verwahren. Dann die Korrespondenz von seiner Bank. Keine privaten Briefe. Er sagte, er wäre gezwungen gewesen, seine private Korrespondenz zu vernichten. Er nannte keinen Grund dafür, sagte nur, er wäre gezwungen gewesen. Das war eines der Dinge, die unterstrichen, wie nervös er war. Aus heutiger Sicht wünschte ich, ich hätte nachgefragt. Aber selbst wenn, ich bezweifle, dass er mehr verraten hätte. Ich sollte nicht verschweigen, dass er im Verlauf der Jahre immer wieder Bündel mit Korrespondenz zu uns geschickt hat, die wir für ihn aufbewahren sollten. Sonst hätte er wohl nicht nur eine Schachtel, sondern einen Schrankkoffer benötigt, um sie alle zu verwahren.«
»Er hat regelmäßig mit Ihrem Büro korrespondiert?«
»Ziemlich regelmäßig während seiner Jahre in Frankreich, ja. Deswegen zweifelte ich ja auch nicht daran, dass er uns seine neue Adresse in England mitteilen würde, sobald er eine hatte. Er ließ die meisten seiner Angelegenheiten durch uns oder seine Bank regeln. Wir waren zugleich seine Immobilien- und Landverwalter. Es mag ein wenig ungewöhnlich erscheinen, aber er wollte es so.«
»Landverwalter?«, ächzte ich. »Hat er denn so viel Land besessen?«
Thorpe schüttelte den Kopf und hob abwehrend die Hand. »So viel war es auch wieder nicht, aber gewiss nichts, über das man mit der Nase rümpfen könnte. Es gibt ein großes Anwesen, ein großes Haus mit Grundstück, und eine Farm, ursprünglich Teil des gleichen Grundstücks, aber inzwischen separat verpachtet. Das Haus ist seit vielen Jahren vermietet, an einen pensionierten Gentleman vom Militär, Major Griffiths. Die Farm hat einen anderen Pächter, eine Familie aus der
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