Ein guter Blick fürs Böse
überall verstreut.
Die Leiche des Privatdetektivs lag hinter dem Schreibtisch, zusammengekrümmt auf den nackten Dielenbrettern. Ich beugte mich über den Toten. Sein Gesicht und, soweit ich feststellen konnte, auch sein Schädel waren unverletzt. Er war also nicht erschlagen worden wie Tapley. Ein großer dunkler Fleck auf seiner Weste, der meine Finger rot färbte, als ich ihn berührte, verriet mir, dass er erstochen worden war. Es hatte eine Konfrontation mit dem Besucher gegeben, schloss ich, und der Angreifer war nah genug gewesen, um sein Opfer mit einem einzigen tödlichen Stich zwischen die Rippen zu erledigen. Es war das Werk von jemandem, der sein Geschäft kannte, ohne jede Frage. Das Opfer war noch nicht sehr lange tot.
Ich bezweifelte nicht, dass wir es mit dem gleichen Killer zu tun hatten, der Tapley ermordet hatte. Aber warum hatte er seine Methode geändert? Weil er mit Jenkins hatte reden müssen und weil ein erschlagener Mann keine Antworten geben konnte. Er hatte also etwas von Jenkins gewollt. Keine Informationen, nein, sondern etwas Materielles. Jenkins hatte es ihm nicht gegeben, deswegen war der Raum durchwühlt worden. Es musste etwas Kleines gewesen sein, das sich leicht verstecken ließ. Hatte der Killer es gefunden?
Lizzie hatte – vorhersehbar – meine letzte Instruktion missachtet und stand einen Meter hinter mir.
»Da du schon hier bist«, sagte ich, »kannst du mir verraten, ob das der Mann ist, der sich dir als Horatio Jenkins vorgestellt hat?«
»Ja. Der arme Mann«, sagte sie und starrte auf die Leiche hinunter. »Ich mochte ihn nicht, aber er tut mir so leid, wie er da liegt.«
»Hör zu, Lizzie«, sagte ich. »Und bitte, widersprich mir nicht. Das ist jetzt eine Mordermittlung. Nimm eine Droschke, wenn du eine finden kannst, fahr zurück zum Scotland Yard, und berichte Dunn, was hier passiert ist. Oh, und bevor du das machst, bitte Weisz, eines seiner Kinder loszuschicken und den zuständigen Constable auf seiner Streife herbeizurufen. Ich muss hierbleiben und dafür sorgen, dass nichts verändert wird …«
Ein schrilles Kreischen ließ meine Trommelfelle klingeln. Wir wirbelten beide herum und sahen eine Frau in der Tür. Sie war eine kleine, unelegante Person mit einer Brille und einer Latzschürze mit einer großen Tasche auf der Vorderseite. Sie wich vor uns bis in den Korridor zurück und kreischte: »Mörder! Wie furchtbar! Was haben Sie getan? Hilfe! Zu Hilfe! Der arme Mr. Jenkins, ermordet! Mörder! Hilfe! Polizei!«
Ich wollte zu ihr, doch sie hatte sich abgewandt und rannte mit von Panik beflügelten Schritten die Treppe hinunter und auf die Straße hinaus, wo sie schon wieder »Mörder! Mörder!« kreischte.
Weisz platzte aus seinem Laden und sah mich in diesem Moment durch die Tür auf die Straße kommen. »Was ist denn passiert?«, fragte er.
»Jenkins ist tot«, antwortete ich, da so viel offensichtlich schien. »Bitte schicken Sie eines Ihrer Kinder zum zuständigen Constable, und nehmen Sie diese Lady mit in Ihren Laden und geben ihr einen Tee oder irgendwas. Kennen Sie sie?«
»Ich kenne sie. Es ist Ruby Poole. Sie ist Hutmacherin und hat ihre Werkstatt oben im zweiten Stock. Ich schicke Jacob nach dem Constable. Er ist ein intelligenter und schneller Junge. Kommen Sie, Miss Poole, kommen Sie herein …«
Miss Poole hatte unterdessen angefangen unkontrolliert zu schluchzen. Sie ließ sich von Weisz widerstandslos am Ellbogen nehmen und in das Geschäft führen.
Ich kehrte nach oben zurück. »Du musst sofort zum Yard, Lizzie. Weisz schickt einen seiner Jungen, um den Constable zu holen.«
Lizzie nickte. »Ich bin bald zurück.«
Ich öffnete den Mund, um zu widersprechen und ihr zu sagen, dass es nicht nötig war, doch sie würde ohnehin tun, was sie wollte. Abgesehen davon war sie eine Zeugin.
Ich schloss die Tür zum Büro von Jenkins und blickte mich auf dem Korridor um. Dann erinnerte ich mich, dass ein Tierpräparator seine Werkstatt auf dieser Etage hatte. Ich ging also zur nächsten Tür und klopfte. Niemand antwortete. Ich versuchte die Klinke. Die Tür war nicht abgesperrt. Ich trat ein.
Ich fand mich an einem Ort jenseits all meiner Vorstellungskraft wieder. Das Erste, was mir auffiel, war der Geruch. Die Luft war eigenartig muffig, mit einer Andeutung von Chemikalien und unterlegt mit dem Aroma von Fleisch. Der Tod war überall, doch in Form eines merkwürdigen Schwebezustands, in dem Kreaturen, die aufgehört hatten
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