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Ein guter Blick fürs Böse

Ein guter Blick fürs Böse

Titel: Ein guter Blick fürs Böse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ann Granger
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Freunden.
    Trampelnde Schritte auf der Treppe kündigten den Constable an, den der Junge von Weisz herbeigerufen hatte. Nach einer kurzen Einweisung ließ ich ihn zur Bewachung des Tatortes zurück und ging nach unten in den Laden.
    Jemand hatte ein »Geschlossen«-Schild an die Tür gehängt, doch als ich klopfte, kam Weisz aus dem Hinterzimmer und ließ mich ein. Die Familie war um Miss Poole herum versammelt, die immer noch laut in ihr Taschentuch schniefte. Mrs. Weisz geleitete ihre Brut, allesamt mit vor Neugier und Aufregung glänzenden Augen, in ein kleines Nachbarzimmer, bevor sie neben ihren Ehemann trat und mich ansah. Beide wirkten bedrückt und misstrauisch. Sie taten mir leid. Sie hatten hart gearbeitet im Land ihrer Wahl und waren selbst zu Eigentümern aufgestiegen, und jetzt waren sie in ein ernstes Verbrechen und Ermittlungen der Polizei hineingezogen worden. Nach all ihren bisherigen Erfahrungen war das, unschuldig, wie sie auch sein mochten, keine gute Situation.
    »Es tut mir leid, wenn wir Ihnen Unannehmlichkeiten bereiten müssen«, sagte ich zu Mrs. Weisz in der Hoffnung, sie zu beruhigen.
    »Danke sehr, Sir«, murmelte sie.
    Ich wandte mich an Mrs. Poole. »Vielleicht könnten Sie, wenn Sie sich besser fühlen, Ma’am, mit mir nach oben kommen?«
    »Ich gehe nicht in sein Büro!«, heulte Miss Poole auf.
    »Nein, nein, das ist auch gar nicht nötig. Aber ich würde mich gerne unter vier Augen mit Ihnen unterhalten.«
    Außerdem musste ich einen Blick in ihre Werkstatt werfen. Sie erhob sich widerwillig, und ich folgte ihr aus dem Laden nach draußen und durch die Tür und die Treppe hinauf. Wir drückten uns an dem Constable vorbei, der Jenkins’ Büro bewachte, und Miss Poole bedachte ihn mit einem ängstlichen Blick. Schließlich erreichten wir die zweite Etage. Bevor wir ihre Werkstatt betraten, ging mein Blick nach oben zur Decke. Es gab eine kleine Luke. Also gab es einen Dachboden, doch die Luke sah nicht so aus, als wäre sie in jüngster Zeit benutzt worden, noch gab es einen Weg, wie eine Person sie ohne Leiter hätte erreichen können.
    Die Werkstatt der Hutmacherin war komfortabler als das Büro von Jenkins, auch wenn sie einen Eindruck von schwerer Arbeit und Armut vermittelte. Auf dem Boden lag ein fadenscheiniger Teppich. Ihre Arbeitsmittel in Form einer kunterbunten Mischung aus Filzstoffen, Bändern, falschen Blüten, Garnröllchen und so weiter lagen ausgebreitet auf einem großen Tisch. Auch eine Öllampe brannte dort und erzeugte den Lichtschein, den Lizzie und ich unten von der Straße bemerkt hatten. Auf einem niedrigen Schrank stand – quasi auf einem Ehrenplatz – ein versilberter Samowar mit einem Hahn über einem Spiritusofen. Ich erkannte den Behälter sogleich wieder, denn ich hatte ähnliche Dinge schon häufiger in den Heimen von Einwanderern gesehen. Ich fragte mich, woher Miss Poole ihn wohl hatte. Vielleicht an einem Stand auf der Straße gekauft oder in Zahlung genommen für eine Arbeit. Neben dem Samowar stand ein Teekessel und auf einem Regal darüber ein Sammelsurium unterschiedlicher Tassen.
    Wie schon im Büro von Jenkins war auch hier eine Ecke durch einen Vorhang vom Rest des Zimmers abgetrennt. Miss Poole schlief hier oben in der Werkstatt.
    Ich lud sie ein, Platz zu nehmen, und sie tat wie geheißen und verschränkte die Hände im Schoß. Sie beantwortete meine Fragen widerstandslos und erweckte nicht den Eindruck, als würde sie irgendetwas zurückhalten. Von Zeit zu Zeit nahm sie ihre Brille ab, um sich die Augen zu wischen.
    Sie hatte Mr. Jenkins seit seinem Einzug in das Büro eine Etage tiefer gekannt. Das war vor fast einem Jahr gewesen. Ja, sie hatte ein Arrangement mit ihm gehabt, dass er an die Decke – ihren Fußboden – klopfen würde, wenn er Tee für einen Klienten benötigte. Ansonsten hatte sie keine Ahnung, wer Jenkins besuchte. Sie musste sich auf ihre Arbeit konzentrieren und hatte keine Zeit, am Fenster zu stehen und zu sehen, wer von der Straße zur Tür kam. Nein, sie hatte niemanden gesehen an diesem Tag. Jenkins war ein guter Nachbar gewesen, sehr freundlich und hilfsbereit.
    Hilfsbereit inwiefern?
    Nun, er hatte ein Regal für sie aufgebaut, das dort drüben mit den Tassen. Er hatte Wasser aus der Pumpe im Hof in einem Eimer hochgetragen. Sicher, sie konnte Wasser von Mr. Baggins bekommen, der ein Spülbecken und einen Wasserhahn hatte, aber sie wollte Mr. Baggins nicht so oft stören. Und um die Wahrheit zu

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