Ein guter Blick fürs Böse
Flur sein müssen, um das zu bemerken. Aber ich war hier drin.«
»Haben Sie etwas gehört?«, wiederholte ich. »Streiten Sie es nicht ab, Mr. Baggins, falls es so ist. Das wäre Zurückhalten wichtiger Informationen und somit strafbar.«
Sein Gesicht verzog sich voller Elend. »Jemand war hier, vor ungefähr zwei Stunden. Ich weiß es nicht genau. Ich habe ihn nicht gesehen. Aber Mr. Jenkins muss ihm die Tür geöffnet haben, und ich hörte, wie er – Mr. Jenkins, heißt das –, wie er fragte: ›Was wollen Sie?‹ Ich hörte keine Antwort. Sie müssen in Mr. Jenkins’ Büro gegangen sein.«
»Sie haben keine erhobenen, streitenden Stimmen gehört?«
»Nein«, antwortete Mr. Baggins entschieden.
»Und Sie haben auch nicht gehört, wie Möbelstücke verrückt wurden? Oder ein lautes Krachen beispielsweise?«
»Es gab einen dumpfen Schlag, irgendwann«, gestand er. »Aber nichts, was mich beunruhigt hätte. Es war ungefähr dort.« Er zeigte auf eine Stelle an der Wand, wo – auf der anderen Seite – der Wäschekorb mit den Verkleidungsutensilien gestanden hatte. Das ist wohl der Moment gewesen, als der Killer ihn bei seiner Suche umgekippt hat, dachte ich.
»Sonst nichts?«
»Nichts, Sir. Ich habe niemanden gehen hören. Das Erste, was ich dann wieder gehört habe, war Ruby Poole mit ihrem ohrenbetäubenden Schreien.«
»Wer hat das verbleibende Zimmer auf dieser Etage?«, wollte ich wissen.
Er sah mich verwirrt an. »Oh, Sie meinen den kleinen Raum neben diesem hier«, sagte er dann. »Das ist mein Wohnzimmer, Sir, in dem ich außerdem auch schlafe.«
»Ich würde es mir gerne ansehen.«
Baggins tappte vor mir her zu der verbliebenen Tür, die er nach einigem Suchen nach dem richtigen Schlüssel unter einer Sammlung gleicher Objekte an einem großen Ring aufsperrte. Es waren alle möglichen Schlüssel, kleine und große, für innen und außen und Möbel und Truhen, selbst so winzige, wie man sie für eine Teebüchse benutzte. Ich fragte mich, wieso er so viele Schlüssel brauchte, wo er doch nur zwei Zimmer gemietet hatte. Er brauchte einen für die Haustür unten, doch damit waren es insgesamt immer noch nicht mehr als drei.
»Schlüssel sind praktisch«, antwortete er auf meine diesbezügliche Frage. »Ich werfe keinen Schlüssel weg, niemals.«
Er öffnete die Tür. Der Raum war viel kleiner und das, was man hin und wieder ein Kofferzimmer nennt. Irgendwie hatte der Besitzer ein schmales Bett, einen Tisch und einen einzelnen Stuhl hineingequetscht. Dazwischen war kaum noch Platz frei. In einer Ecke war ein kalter Kamin, davor stand ein Kessel auf einem Dreifuß. Der Ausblick aus dem kleinen Fenster ging ebenfalls nach hinten auf den Hof hinaus. Ich fragte Baggins, ob er wüsste, was in dem Schuppen war.
»Gemüse«, lautete die Antwort, womit er bestätigte, was Weisz mit bereits gesagt hatte. »Ein Lagerraum für den Laden unten.«
Der Anblick des Aborts brachte mich zu der Frage, wo er seine notwendige Toilette verrichtete. Alle Mieter benutzten das Häuschen unten im Hof, erhielt ich zur Antwort. Die auf den Etagen wie er und Jenkins und die Hutmacherin mussten nach unten auf die Straße, um die Ecke durch eine schmale Gasse und durch die Hintertür, die ich bereits bemerkt hatte.
»Und über Ihnen?« Ich zeigte nach oben. »Abgesehen von Miss Poole, der Hutmacherin – wer wohnt sonst noch dort?«
»Niemand.« Er schüttelte den Kopf. »Die beiden hinteren Zimmer stehen zurzeit leer.«
»Wer ist der Hausbesitzer?«
»Er.« Mr. Baggins zeigte nach unten.
»Weisz, der Gemüsehändler?«, fragte ich überrascht.
»Genau der. Er hat einen Sinn für Geschäfte, glauben Sie mir. Er würde Ihnen nicht einmal einen gequetschten Apfel umsonst lassen.«
Ich bedankte mich und warnte ihn eindringlich, nicht zu schwatzen. Schließlich informierte ich ihn noch, dass ein Constable vorbeikommen und seine Aussage schriftlich aufnehmen würde.
»Ich habe aber keine Aussage zu machen!«, protestierte er.
»Sie wiederholen einfach das, was Sie mir erzählt haben. Dass Sie gehört haben, wie Jenkins vor etwa zwei Stunden jemanden in sein Büro gelassen hat, und dass er den Besucher gefragt hat, was er wollte. Dass Sie einen dumpfen Schlag gehört haben. Zeigen Sie dem Constable die Stelle, die Sie mir gezeigt haben. Sehen Sie? Sie wissen viel mehr, als Sie glauben.«
Dies schien Mr. Baggins nicht im Geringsten aufzumuntern. Er trottete niedergeschlagen zurück zu seinen glasäugigen
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