Ein guter Blick fürs Böse
nach oben in meine Werkstatt und saß einfach nur da, während er Tee trank und mich unterhielt. Er erzählte mir von seinen Abenteuern in Amerika. Ich habe die Geschichten geliebt. Es war immer sehr behaglich, mit ihm dazusitzen. Ich habe mir manchmal überlegt, ob wir nicht …« Sie verstummte. Die Tragödie war vollkommen. Miss Poole hatte sich Hoffnungen auf Mr. Jenkins gemacht.
Inspector Benjamin Ross
Lizzie brachte Miss Poole zurück in ihre Werkstatt, doch wie nicht anders zu erwarten, war sie in Sekundenschnelle wieder zurück.
»Was ist es?«, fragte sie eifrig, als ich den Umschlag erneut öffnete.
»Eine Photographie«, antwortete ich.
»Ja, das sehe ich selbst! Aber wen zeigt die Photographie?« Sie beantwortete sich ihre Frage gleich selbst. »Ist es das Bild, das die französische Lady Jenkins gab, damit er Mr. Tapley erkennt?«
»Es könnte sein. Ja, ja, schon gut! Es stimmt. Aber sprich zu niemandem darüber, hörst du?« Ich steckte die Photographie ein.
Lizzie sah sich in dem durchwühlten Zimmer um. »Sie wollte es offensichtlich zurück. Warum hat sie es nicht zurückverlangt, als sie Jenkins bezahlt hat? Das wäre naheliegend gewesen, oder? Sie hat ihm sein Geld gegeben, und er hätte ihr die Photographie zurückgeben müssen.«
»Aber das hat er nicht«, sagte ich. »Jenkins war ein vorsichtiger Mann. Er kannte die Person auf diesem Bild«, ich klopfte auf meine Tasche. »Es war die Person, die er selbst aufgespürt hatte und die gleich darauf ermordet wurde. Diese Photographie war quasi Jenkins’ Lebensversicherung. Der Beweis, dass die Französin ihn wegen Tapley aufgesucht hat. Ich weiß nicht, was für eine Ausrede er hatte, um sie nicht zurückgeben zu müssen. Vielleicht hat er gesagt, er hätte sie verloren. Seine Auftraggeberin wird wütend gewesen sein, aber es gab nicht viel, was sie tun konnte.«
»Du meinst, eine Frau hat das Verbrechen begangen?« Lizzie war entsetzt.
»Oh, nein, sie hatte zweifellos Hilfe. Ich glaube nicht, dass sich eine Frau in Mrs. Jamesons Haus geschlichen und Tapley erschlagen hat. Ein derart brutaler Angriff ist das Werk eines Mannes. Ich sehe auch nicht, dass Jenkins von einer Frau niedergestochen wurde. Wer auch immer Jenkins getötet hat, er weiß, wie man ein Messer benutzt. Wir suchen nach jemandem, der mit ziemlicher Sicherheit das ist, was du einen Profi nennen würdest.«
»Sie hat einen Mörder gedungen?« Lizzie glotzte mich aus großen Augen an.
»Ich sage nicht, dass es so war. Ich sage nur, dass sie einen männlichen Begleiter hatte, einen Komplizen.« Ich sah, wie Morris mir einen warnenden Blick zuwarf. Seiner Meinung nach sollte ich wohl nicht so freizügig mit meiner Frau über den Fall diskutieren. Aber Lizzie blickte ebenfalls unzufrieden drein.
Sie sah Morris an, der den Wink verstand und sich in das Treppenhaus und außer Hörweite zurückzog.
»Ben«, sagte meine Frau zögernd. »Ich war dumm und eitel, wirklich unerträglich eitel.«
»Das fällt mir schwer zu glauben«, erwiderte ich aufmunternd. Es gab also noch etwas, und sie hatte es mir nicht gesagt. Aus Eitelkeit? Kaum vorstellbar, dass Lizzie so einer törichten Regung nachgab. Doch sie war puterrot angelaufen.
»Da war ein Mann …«, begann sie und berichtete von dem Kerl in Tweedjacke und Knickerbockern. (Ich hatte zufälligerweise erst wenige Stunden zuvor von einem derart albernen Aufzug gehört.) »Er hat dieses Haus beobachtet, als ich herkam, weißt du? Er hat so getan, als würde er Früchte auswählen, und damit Zeit geschunden. Er wollte herausfinden, ob Jenkins einen Besucher hatte, und als Bessie und ich kamen, wurde er belohnt. Wahrscheinlich ist er nach oben geschlichen, um sich zu überzeugen, dass wir tatsächlich zu Jenkins gegangen waren, oder vielleicht hat er uns durch das Fenster gesehen. Wie dem auch sei, er ist uns hinterher gefolgt. Ich hätte es erkennen müssen!«
Das ist unser Mann, dachte ich mit einer Mischung aus Triumph und Frustration. Das war zweifellos Hector Guillaume – aus Ermangelung eines anderen Namens. Wo zum Teufel steckt der Kerl jetzt?
»Hatte Miss Poole sonst noch irgendetwas Interessantes zu erzählen?«, fragte ich.
Lizzies Miene hellte sich ein wenig auf, und sie berichtete von ihrer Unterhaltung mit der Hutmacherin, ganz die präzise Zeugin, die sie normalerweise ist.
»Danke sehr«, sagte ich, als sie fertig war. »Das war sehr hilfreich. Aber jetzt musst du nach Hause. Nimm eine Droschke. Bitte den
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