Ein guter Blick fürs Böse
sagen, das Zimmer voller toter Tiere war ihr unheimlich. Der Taxidermist selbst war ihr unheimlich. Was sollte man auch von einem Mann halten, der sein Leben mit toten Viechern verbrachte, sie häutete, die Häute bearbeitete und auf Rahmen zog? Er verkaufte die gehäuteten Kadaver an Hundefutterläden, zumindest behauptete er das. Ihrer Meinung nach wurden die Karkassen zurechtgemacht und heimlich an skrupellose Metzger verkauft, die sie wiederum als Kaninchen an ahnungslose Kunden weiterverkauften. Es war alles ganz grässlich, nach Miss Pooles Meinung. Sie persönlich arbeitete in ihrer Hutmacherei überhaupt nicht mit Fell, auch wenn Mr. Baggins ihr schon mehrfach angeboten hatte, ein Fell für sie zu gerben. Doch sie überließ dies den professionellen Kürschnern. Es war nett, Mr. Jenkins unter sich wohnen zu haben, weil er ein professioneller Gentleman gewesen war. Seine Arbeit war eine saubere gewesen.
Manch einer hätte das vielleicht infrage gestellt. Beispielsweise ich.
Ich fragte sie, was sie nach unten geführt hatte, als Lizzie und ich vor Jenkins’ Tür standen. Unter starkem Erröten und Zögern flüsterte sie, dass sie auf dem Weg zum Abort im Hof gewesen war. Dann fing sie erneut an zu weinen.
Plötzlich hörte ich eine Etage unter mir Bewegung. Die Kollegen vom Scotland Yard waren eingetroffen. Ich dankte Miss Poole und ließ die arme Seele mit ihrer Trauer allein, um nach unten zu gehen.
KAPITEL DREIZEHN
Elizabeth Martin Ross
Als ich im Scotland Yard ankam und meine Neuigkeiten und die Nachricht von Ben überbrachte, erhielt ich einen kurzen, nichtsdestotrotz deftigen Vortrag von Superintendent Dunn.
»Sehen Sie, Mrs. Ross? Das kommt davon, dass Sie Ihre Informationen zurückgehalten haben, anstatt sofort damit zu uns zu kommen! Irgendjemand wäre schon gestern zu Jenkins geschickt worden, um ihn zu befragen, und wenn er etwas Wichtiges gewusst hätte, so hätten wir es erfahren. Er hätte uns zu seinem Klienten geführt. Er wäre vielleicht noch am Leben. Ich mache Sie nicht verantwortlich für die Taten eines Mörders, aber es hätte alles ganz anders ausgehen können!«
»›Wenn das Wörtchen wenn nicht wär‹«, pflegte mein Vater immer zu sagen. Es gelang mir, seinen Ausspruch Dunn gegenüber nicht zu zitieren und stattdessen schweigend seiner Predigt zu lauschen und zu nicken.
»Von jetzt an …«, verkündete er, »… von jetzt an werden Sie sich aus den weiteren Ermittlungen in dieser Angelegenheit heraushalten. Überlassen Sie diese Arbeit den Experten.«
Angesichts der Tatsache, dass die Experten keine Ahnung von der Existenz Jenkins’ gehabt hatten und von seinem Clownskostüm, seiner französischen Klientin und seinem Auftrag, Tapley zu finden, war ich versucht, ihn darauf hinzuweisen, wie wertvoll mein Beitrag gewesen war. Doch das wäre nicht gut aufgenommen worden. Der Superintendent hatte, so viel musste ich zumindest mir selbst gegenüber eingestehen, wenn schon nicht ihm, nicht ganz Unrecht. Die Verzögerung hatte den armen Jenkins möglicherweise das Leben gekostet.
»Aber ich muss zurück nach Camden«, sagte ich. »Zusammen mit Sergeant Morris.«
Dunns Augen quollen hervor.
»Es gibt eine Zeugin, eine Miss Poole«, fuhr ich hastig fort. »Sie ist sehr erschüttert, steht am Rande eines Nervenzusammenbruchs. Selbstverständlich wird die Polizei ihre Aussage aufnehmen, aber wenn ich bei ihr sitzen könnte, würde sie sich ein wenig sicherer fühlen … und sie würde möglicherweise offener reden.«
Ich dachte, Dunn würde vor Ärger losbrüllen und mein Anliegen rundheraus ablehnen. Doch da hatte ich ihn unterschätzt. Nachdem er mich für eine Sekunde nachdenklich gemustert hatte, verschränkte er die Hände auf dem Schreibtisch und beugte sich vor.
»Sie sind eine äußerst gerissene Person, Mrs. Ross. Ich billige Ihre Einmischung in Polizeiangelegenheiten nicht, und ich heiße sie auch in keiner Weise gut. Das habe ich Ihnen mehr als deutlich zu verstehen gegeben; kommen Sie nicht auf die Idee, Sie könnten das einfach ignorieren. Auf der anderen Seite gestehe ich, dass ich manchmal wünschte, einige meiner Beamten hätten Ihre schnelle Auffassungsgabe. Ich bin einverstanden, dass Sie mit Morris nach Camden zurückkehren und bei Mrs. Poole sitzen und sich um die Lady kümmern. Aber Sie werden mit keinem anderen Zeugen reden. Sie werden Miss Poole nicht ausfragen. Sie werden ihr überhaupt keine Fragen stellen und ihr auch keine Ideen in den Kopf
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